61. Berlinale: Durchhänger oder absteigender Ast?

Zäh zog sich der Wettbewerb der 61. Berlinale dahin, Höhepunkte waren rar gesät. Sehenswerte Filme konnte man zwar durchaus entdecken, die zwei bis drei ganz großen Filme, die ein Festival braucht, vermisste man aber schmerzlich – nicht nur im Wettbewerb, sondern auch in den Nebenreihen.

Skepsis konnte schon bei Durchsicht des heurigen Programms aufkommen. Kaum ein großer Name fand sich da, dafür zahlreiche erste und zweite Spielfilme. Auf den Nachwuchs zu setzen, ist sicher gut und richtig, ein A-Festival, das sich auf einer Höhe mit Cannes und Venedig sehen will, kann damit aber nicht bestritten werden, denn froh muss man sein, wenn von den Jungen zwei bis drei wirklich überzeugen.

Ein schlechtes Vorzeichen konnte man heuer aber auch in der Berlinale-Tasche sehen: Nicht nur in Blau statt des traditionellen Rot war sie gehalten, sondern auch kleiner und vor allem ziemlich schlampig verarbeitet. Dennoch konnte man zu Beginn mit dem Coen-Film "True Grit" noch seine Freude haben. Dass man mit einem in den USA schon vor Monaten gestarteten Film und nicht mit einer Weltpremiere das Festival eröffnete, spricht allerdings nicht unbedingt für einen hohen Stellenwert der Berlinale.

Doch froh wäre man an den folgenden acht Tagen gewesen noch den einen oder anderen Film vom Format dieses Western-Remakes zu sehen zu bekommen. Mit Asghar Farhadis nun mit dem Goldenen Bären ausgezeichnetem "Nader and Simin, a Separation" stellte sich zu Festivalmitte immerhin ein ungemein dichtes und facettenreiches Gesellschaftsdrama ein, doch ein filmisches Meisterwerk ist auch das letztlich nicht. Brillant ist das zwar geschrieben und inszeniert, auch großartig gespielt, aber sicher nicht filmisch innovativ und formal aufregend.

Immerhin bietet "Nader and Simin, a Separation" packendes Kino, was man von vielen anderen Wettbewerbsfilmen leider nicht sagen kann. Da kann man die formale Konsequenz von Bela Tarrs "The Turin Horse" noch so bewundern, so ziehen sich die 150 Minuten doch endlos. Ermüdend waren aber auch die rund 100 Minuten, die der Argentinier Rodrigo Moreno seinen Protagonisten Boris in "Un mundo misterioso" sich ziellos treiben ließ, gar dünn die Geschichte einer türkischen Männerfreundschaft, die Seyfi Teoman "Our grand despair" erzählte. Lee Yoon-kis "Come Rain, Come Shine", in dem es – wieder einmal – um das Ende einer Beziehung geht - trieb der Stilwille fast jedes Leben aus und viel zu gelackt und glatt kommt Jonathan Seagalls "Lipstikka" daher.

Froh war man in diesem Wettbewerb dann um so einen mitreißenden Film wie Andres Veiels "Wer wenn nicht wir" oder konnte sich zum Abschluss an Jaume Collet-Serras ziemlich überdrehtem Actionfilm "Unknown" erfreuen, in dem ein Wissenschaftler nach einem Unfall versucht seine Identität wieder zu finden. Aber wie die Wettbewerbsfilme ist auch dieser in Berlin speilende Reißer kein Meisterwerk seines Genres, sondern kaum mehr als ein souveräner Mix altbekannter Thrillermotive mit teilweise so überzogenen Actionszenen, dass das Ganze schon parodistische Züge annimmt.

Gerne nimmt man so einen Film an einem Festival mit, davon leben kann es aber so wenig wie von Miranda Julys "The Future", an dem man seine helle Freude haben kann. Schmerzlich vermisste man bei dieser Berlinale die zwei bis drei ganz großen Filme, die einem die Augen auf- und das Herz übergehen lassen und damit nachdrücklich in Erinnerung bleiben.

Und auch in "Forum" und "Panorama" gab es zwar durchaus Sehenswertes, aber nichts wirklich Grandioses zu entdecken, keinen Film, der sich während des Festivals zum absoluten "Must See" entwickelte.

Schwächere Jahrgänge gibt es ja immer mal. Bedenklicher ist schon, dass der Berlinale in den letzten Jahren sukzessive immer mehr die großen Namen abhanden kamen und sie immer mehr zu einem Festival für Nachwuchsregisseure wurde. Ausgewogener muss hier wieder der Mix werden, sonst wird Berlin noch mehr Boden als bisher gegenüber Cannes und Venedig und damit seinen sowieso schon angekratzten Status als eines der drei großen europäischen A-Festivals wohl endgültig verlieren.