Weingart Typografie

Wolfgang Weingart gilt als "enfant terrible" der modernen Schweizer Typografie. Schon Mitte der 1960er-Jahre verstösst er gegen ihre etablierten Regeln: Er befreit die Buchstaben aus dem Korsett des rechten Winkels, sperrt, unterstreicht oder verformt sie und ordnet das Satzbild neu. In den 1970er-Jahren beginnt er, Rasterfilme in Collagen umzusetzen und nimmt damit das digitale Sampling des postmodernen New Wave vorweg.

Als Typografie-Lehrer an der Schule für Gestaltung Basel prägt Weingart ab 1968 mehrere Generationen von Gestaltenden. Sie kommen aus der ganzen Welt und sorgen so für sein internationales Renommee. Weingarts experimenteller Gestaltungsansatz und die von ihm ab 1984 geförderte Verbindung analoger und digitaler Techniken sind heute wieder aktuell. Sein Lebenswerk wird erstmals in der Schweiz gezeigt und den Arbeiten aus seinem Unterricht gegenübergestellt. Die Exponate stammen alle aus den Sammlungsbeständen des Museums, denn der Gestalter hat dem Museum einen grossen Teil seines Archivs geschenkt. Unterdessen wurde dieses elektronisch erfasst und im Rahmen eines Forschungsprojekts − gefördert vom Schweizerischen Nationalfonds SNF − wissenschaftlich untersucht.

Zwölf mit Originalmaterial bestückte Themeninseln, einige Dia- und Filmprojektionen sowie eine Infografik erschliessen Werk und Lehre von Wolfgang Weingart. Die Themeninseln fokussieren auf formale, technische und inhaltliche Aspekte. So lässt sich die Entwicklung von Themen verfolgen, die über mehrere Jahre hinweg wiederkehren. Zum Beispiel seine experimentellen "Schriftkreise", "Linienbilder" und "M Zeichenbilder". Und es können bestimmte Entwurfsverfahren unter die Lupe genommen werden, wie das Collagieren und Kombinieren verschiedener Techniken, das Weingart wie seinen Studenten eigen ist. Ziel der in Zusammenarbeit mit Wolfang Weingart entstandenen Ausstellung ist, nicht nur Ergebnisse, sondern auch Arbeitsprozesse aufzuzeigen. Neben dem Originalmaterial zeigt die Ausstellung ein Filmporträt über Weingart sowie filmisch dokumentierte Diskussionen über den Basler Unterricht. Desweiteren gibt eine Infografik Einblick in die berufliche Laufbahn der Alumni aus Weingarts Weiterbildungsklasse.

Wer die Ausstellung betritt, taucht als erstes in Weingarts Welt der poetischen Vergleiche ein. Wüstenbilder, die er während seiner Reisen in den Nahen Osten gemacht hat, finden ihre strukturellen Pendants in seinen Schriftkreisen und Linienbildern. Den programmatischen Kern in der Ausstellung bilden indessen Weingarts expressive Textinterpretationen der späten 1960er- und frühen 1970er-Jahre. Unter dem Titel "Neue Typographische Anordnung" setzt sich Weingart hier ausdrücklich von der funktionellen Typografie des Swiss Style ab. Mitte der 1970er-Jahre sind für Weingart Handsatz und Hochdruck ausgereizt. Fortan montiert er Lithofilme zu Collagen, die er in Offset drucken lässt. Später erprobt er die Möglichkeiten des Xerox-Kopiergeräts und an-satzweise jene des 1984 eingeführten Apple Macintosh.

In einem eigenen Ausstellungsteil sind Beispiele aus Weingarts 30-jähriger Unterrichtstätigkeit an der Weiterbildungsklasse für Grafik in Basel versammelt. Fünf Themeninseln präsentieren Grundübungen wie man beispielsweise einen Buchumschlag mit Hilfe typografischer Elemente gestalten und durch verschiedene Kombinationen die Aussage des Textes verändern kann sowie Untersuchungen zur Lesbarkeit von Schriftbildern, aber auch individuelle Projektarbeiten in ihrer gesamten grafischen Bandbreite. Dem Entstehungsprozess der Arbeiten kommt hierbei ebenso viel Bedeutung zu wie den Ergebnissen: Kalender, Bücher und Buchreihen, Zeitschriftenumschläge, Briefpapier, Erscheinungsbilder und Plakate.


Weingart Typografie
7. Mai bis 28. September 2014