Träume aus Glas

Der Jugendstil war die erste künstlerische Bewegung, welche die Vision des Gesamtkunstwerks verfolgte. Angestrebt wurde die harmonische Vereinigung sämtlicher Lebensaspekte und die Verwandlung des Realen in eine mythologisch erträumte Welt. Es handelte sich also um weit mehr, als um eine rein formale Erneuerung. Nicht wenige der Jugendstil-Künstler waren Maler und Bildhauer, Entwerfer von Häusern, Möbeln und Schmuck in einer Person.

Was am häufigsten mit dem Kunstgewerbe des Jugendstil in Verbindung gebracht wird, sind Gegenstände aus Glas. Nie gab es eine solch herausragende Glasproduktion wie zu jener Zeit. Das Museum für Gestaltung Zürich, berühmt für seine Jugendstil-Sammlung, zeigt im Museum Bellerive eine der international angesehensten privaten Sammlungen von Glasobjekten. Es gibt kaum eine andere Sammlung mit einer solchen Fülle an qualitativ hochwertigen Werken von Daum, Gallé oder Tiffany, die als die wichtigsten Gestalter in diesem Bereich betrachtet werden.

Während die Manufaktur Daum von der einfachen Serienfertigung ausging und diese durch künstlerische Einflussnahme zu verbessern suchte, war Gallés Ausgangsbasis die individuelle künstlerische Arbeit, die aufgrund ihres Erfolgs eine industrielle Fertigung nach sich zog. Die Wettbewerbssituation – sowohl Daum als auch Gallé arbeiteten in Nancy und waren Gründungsmitglieder der "École de Nancy" (1901) – spornte sie zu Höchstleistungen an. Seit der Weltausstellung 1900 in Paris, wo beide mit dem Grand Prix ausgezeichnet wurden, galten sie als ebenbürtig.

Der Amerikaner Louis Comfort Tiffany belebte die Glaskunst ähnlich wie Émile Gallé – allerdings bediente Tiffany sich anderer Techniken. Die "Stars" seiner Produktion, und auch heute noch Publikumsattraktionen, waren Beleuchtungskörper, die häufig mit blütenförmigen Schirmen aus buntem Glasmosaik versehen waren. Beleuchtungskörper waren auch eine Spezialität der Gebrüder Daum: Die aufkommende Elektrifizierung bot ihnen dieses völlig neue Betätigungsfeld. Geschickt nutzten sie die Transparenz des Werkstoffs Glas, um den Jugendstil-Innenraum in ein stimmungsvolles Licht zu tauchen.

Daum, Gallé und viele andere Glaskünstler jener Zeit haben es zu wahren Meisterleistungen in der Glasherstellung gebracht. Die unter dem Titel "Meisterstücke" im Museum Bellerive gezeigten Exponate erlauben es den Besuchern, sich ein Bild von der Spitzenproduktion des französischen Art nouveau zu machen. Die Manufaktur Daum überlebte die Kriegsjahre relativ unbeschadet und verstand es wie schon zuvor, die neu aufkommenden ästhetischen Ideen praktisch umzusetzen. Daum ist nicht als Vorreiter des Art déco zu bezeichnen, doch produzierte das Unternehmen sehr schnell die moderneren, geometrischen Formen, die sich durch eine reduzierte, aber kräftigere Farbpalette auszeichnen.

Einige ebenfalls zur Privatsammlung gehörende Highlights des französischen Art nouveau und des deutschen Symbolismus wie Gemälde von Alphonse Mucha oder Franz von Stuck untermalen die Ausstellung. Sie stellen eine Verbindung her zum träumerischen und idealistischen Zeitgeist, dessen höchstes Ziel es war, das Leben mit Schönheit zu erfüllen.


Daum Gallé Tiffany – Träume aus Glas
11. Juli bis 5. Oktober 2008