Walter Stöhrer-Stiftung im Kunstmuseum Stuttgart

Seit Jahresbeginn würdigt das Kunstmuseum Stuttgart in einer neuen Ausstellungsreihe Sammler aus Baden-Württemberg und Stiftungen, die mit dem Museum durch Leihgaben verbunden sind. Den Auftakt bildete die Sammlung Rudolf und Ute Scharpff. Von 23. Juli bis 4. September folgt jetzt die Walter Stöhrer-Stiftung mit einer Sonderschau zum Spätwerk des im Jahr 2000 verstorbenen Stuttgarter Künstlers.

Walter Stöhrer hat seit den 60er Jahren die deutsche Malereigeschichte geprägt. Seine kraftvollen, dynamischen Gemälde sind überwiegend von Literatur inspiriert, die er als Fragmente in den gestischen Malereiprozess einbrachte. In der Ausstellung sind neben zwölf großformatigen Gemälden einzelne Blätter aus seinem 1998 entstandenen Gouachen-Zyklus zu den Gedichten von Adonis zu sehen.

Walter Stöhrer ist 1937 in Stuttgart geboren. Seine künstlerische Ausbildung erhielt er bei HAP Grieshaber an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. 1959 zog er nach Berlin, wo er seit 1986 eine Professur für Malerei innehatte. Dennoch blieb die Bindung an den Südwesten bestehen. Gerade in Stuttgart fanden immer wieder wichtige Einzelausstellungen und Würdigungen seines Werks statt. So verlieh ihm die Stadt 1995 den Hans-Molfenter-Preis. In den letzten Lebensjahren hatte sich Stöhrer zunehmend in sein großzügiges Atelier in einem ehemaligen Landgasthof in Scholderup zurückgezogen. Das ruhige Landleben, die Großzügigkeit der Seelandschaft verschafften ihm den notwendigen Rückzugsraum für sein Schaffen.

In Scholderup hat heute auch die Walter Stöhrer-Stiftung ihren Sitz. Die von Hanne Forstbauer geleitete Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, das Werk Stöhrers durch Publikationen und Ausstellungen sichtbar zu machen und in Form von Werkverzeichnissen wissenschaftlich aufzuarbeiten. Aber auch die Pflege und der Erhalt des umfangreichen Stiftungsbestands an Werken und Dokumenten zählen dazu. Aus diesem Fundus präsentiert das Kunstmuseum nun eine kleine Auswahl.

In den zahlreichen Ausstellungen zu Walter Stöhrer wurde bislang das Spätwerk meist nur kurz gestreift. Diese aktuelle Sonderschau möchte die Aufmerksamkeit auf die letzte Werkphase lenken. An einigen Schlüsselwerken wie "Roter Caspar" und "Wie das Licht zwischen Zauber und Zeichen" werden die Veränderungen in den 1990er Jahren deutlich ablesbar: Dynamische Schriftpartien nehmen weniger Platz ein oder fehlen ganz. Dennoch bleibt auch hier die literarische Auseinandersetzung für Stöhrer wichtig. In seinen letzten Lebensjahren entdeckte er den syrischlibanesischen Lyriker Adonis (*1930) für sich und schuf 1998 zu dessen Gedichten einen Zyklus mit 42 Gouachen.

Einzelne Blätter sind in der aktuellen Ausstellung zu sehen. Im Vergleich zwischen diesen Arbeiten auf Papier und den großformatigen Gemälden wird deutlich, wie sicher Stöhrer die unterschiedlichen Techniken beherrschte und sowohl im kleinen als auch im großen Format die Fläche souverän meisterte. In dieser Spätphase lässt sich auch ein veränderter Umgang mit dem weißen Maluntergrund feststellen, dem er zunehmend eine eigene Rolle zumisst. Die Kompositionen werden luftiger und offener, ohne dass sie an typischer Dynamik verlieren.

Stöhrer, der im Malprozess die Leinwand auf den Boden legte oder drehte, der mit Pinsel oder anderen Malwerkzeugen die Farben auftrug, spritzte oder klatschte, erzeugt in seinen Werken bis zuletzt eine enorme Spannkraft. Gerade in Bezug zu aktuellen jungen Malereipositionen ist es erstaunlich, wie frisch und frei von jeder Mode sein Werk wirkt. Stöhrers OEuvre lässt sich nicht mit den üblichen kunsthistorischen Schlagwörtern wie "Neue Figuration" kategorisieren. In seiner Unabhängigkeit zu allen Tendenzen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts liegt seine große Stärke.

Walter Stöhrer-Stiftung
23. Juli bis 4. September 2011