"Zimmer frei!" – Kleine Reise durch die Welt des Hotelfilms

Das St. Galler Kinok widmet ihr heuriges Open-Air (bei Schlechtwetter im Kinosaal) dem Hotelfilm. Von Paul Czinners Stummfilm "Fäulein Else" bis zu Sofia Coppolas "Lost in Translation" spannt sich der Bogen der 16 Filme. Anlass für eine kleine Reise durch die Welt des Hotelfilms.

1774 eröffnete in London der erste Beherbergungsbetrieb mit dem Namen "Hotel", wirklich aufzublühen begann diese Institution aber erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, besonders dann in der Belle Époque. Das Grand Hotel und das mondäne Kurhotel entstanden in dieser Zeit, ehe sich nach dem Zweiten Weltkrieg ausgehend von den USA Hotelketten breit machten.

Im Film finden sich alle Spielarten des Hotels, das Grand Hotel in der gleichnamigen Verfilmung von Vicky Baums Roman im Jahre 1932, das Kurhotel in Viscontis Adaption von Thomas Manns "Tod in Venedig" (1971), die heruntergekommene Absteige in den Filmen von Wim Wenders und Jim Jarmusch bis zum modernen, zu einer Kette gehörigen Hotel in den Filmen Sofia Coppolas, die als Tochter des Filmregisseurs Francis Ford Coppola selbst viel Zeit in Hotels verbracht hat. Immer wieder präsentiert sich das Hotel dabei als Ort des Durchgangs, der Zufallsbekanntschaft, der Verlorenheit.

Hier ist etwas für kurze Zeit möglich, kommen sich Menschen näher, die sich sonst wohl nie begegnet wären. Gleichzeitig ist das aber ein Ort, an dem man nicht zu Hause, nicht verwurzelt ist, von einer Melancholie und dem Gefühl der Einsamkeit ergriffen wird. So hängen Bill Murray und Scarlett Johannsen in Sofia Coppolas "Lost in Translation" (2003) tausende Kilometer von der Heimat entfernt spät nachts noch an der Hotelbar rum, die Zeitverschiebung lässt sie zudem keinen Schlaf finden. Befreit von dem sozialen Umfeld bleibt nur die eigene Person und eine Seelenverwandtschaft tritt zu Tage oder bildet man sich aufgrund der völligen Fremdheit der Umwelt ein.

In einem Hotel lebt auch der Schauspieler Johnny Marco in Coppolas "Somewhere" (2010). In der öffentlichen Behausung spiegelt sich dabei Johnnys Fremdheit im eigenen Leben und seine Entwurzelung. Da muss erst seine Tochter kommen, um ihn aus dieser Isolation und Orientierungslosigkeit zu befreien.

Zentrale Bedeutung haben Hotels freilich bei den großen Reisenden des Kinos – vor allem, wenn es durch die USA geht, wo billige Motels zu jeder Kleinstadt gehören. Die heimatlosen Figuren von Jim Jarmusch finden hier immer wieder für einen Augenblick einen Ruhepunkt – und doch nicht zu sich selbst. Stromern sie in "Stranger than Paradise" (1984) von Bundesstaat zu Bundesstaat, so ist "Mystery Train" (1989) geradezu um ein Hotel in Memphis Tennessee aufgebaut. Wand an Wand mögen hier die Gäste wohnen und lernen sich doch nicht kennen, doch ein Schuss verbindet drei Geschichten, die im Grunde nichts miteinander zu tun haben.

Wim Wenders hat dagegen in "The Million Dollar Hotel" (2000) um ein heruntergekommenes Hotel in Los Angeles einen Thriller aufgebaut und in Leander Haussmanns "Hotel Lux" (2011) verschlägt es zwei deutsche Komödianten in den 1930er Jahren als politische Flüchtlinge in ein Moskauer Hotel.

Mal geht es im Hotelfilm - wie in dem schon erwähnten "Grand Hotel" (1932) – um die Gäste, doch auch das Personal kann im Mittelpunkt stehen. Humorvoll erzählt davon der Schweizer Film "Palace Hotel" (1952), in dem Paul Hubschmid, Anne-Marie Blanc und Gustav Knuth die Hauptrollen spielen. Um zunehmende Verunsicherung der Rezeptionistin geht es dagegen in Jessica Hausners "Hotel" (2004).

Vom Fremden eines Hotels kann somit auch Bedrohung ausgehen. Wie bei Hausner diese Bedrohung, die sich in kühl stilisierten Bildern langsam entwickelt, nie fassbar wird, so stürzt auch der Protagonist im Coen-Film "Barton Fink" (1991), der isoliert in einem Hotel von Hollywood ein Drehbuch schreiben soll, zunehmend in eine Krise. Und auch in Kubricks Stephen King-Verfilmung "Shining" (1980) verwandelt sich ein Feriendomizil in einen Ort des Schreckens, wenn sich in der Abgeschiedenheit des labyrinthartigen Overlook-Hotel zunehmend der Wahnsinn ausbreitet, ohne dass sich dafür äußere Anlässe erkennen ließen.

Während bei Kubrick das Schreckliche aus dem Innern des Protagonisten kommt, wird in Hitchcocks "Psycho" (1960) alles Fremde abgewehrt. Dominant steht das Herrenhaus auf einem Hügel über dem kleinen Motel. Sein Rückzugsgebiet – und vor allem seine Mutter – wird Norman Bates hier gegen alle Eindringlinge verteidigen.

Im Gegensatz zu diesen düsteren Filmen, geht es in den Ferienhotels zur Hauptsaison hektisch und meist auch komödiantisch zu und her. Ein Ort des wilden Durcheinanders ist das Hotel in Jacques Tatis "Les vacances de Monsieur Hulot" (1953), Erholung findet man bei diesem Gewirr der Sprachen und dem Mix der Generationen kaum. Ganz anders schaut das in John Maddens "The Best Exotic Marigold Hotel" (2011) aus, wo bei älteren BritInnen im fremden Umfeld eines indischen Hotels neue Lebensgeister erwachen, man einen zweiten oder dritten Frühling erlebt und sich auch emotional näher kommt.

Nur noch die Erinnerung lebt dagegen im stillgelegten Hotel, in das der Graubündner Hotelier-Sohn Daniel Schmid seinen Protagonisten in "Hors Saison" (1992) zurückkehren lässt. Wie das Kino ein Ort ist, an dem auf der Leinwand Fantasien lebendig werden, so löst hier das Gebäude märchenhafte Erinnerungen aus: an die Familie, die Gäste und an Geschichten, die sich hier abspielten.

Kein Ort des Durchgangs und der Entwurzelung, sondern einer der verlorenen Heimat ist das Hotel bei Schmid und statt eines Blicks aufs Schäbige und aufs Mondäne, statt Komödiantisches oder Gruseliges findet sich hier das märchenhaft Poetische und das melancholische Beschwören einer vergangenen Zeit.

Trailer zu "Grand Hotel"