Zeichnung und Linearität - "Diesseits und jenseits des Strichs"

Für die aktuelle Ausstellung hat Doris Fend Kolleginnen und Kollegen eingeladen, deren Arbeit zum einen vornehmlich gegenstandslos ist und zum anderen etwas mit Zeichnung bzw. mit Linearität zu tun hat. Es geht ihr dabei nicht um eine Schau zum Thema Zeichnung, sondern um eine Zusammenstellung von verschiedenen Zugängen, die mit der Zeichnung assoziiert werden können. Gerade das Genre der Zeichnung hat in den letzten beiden Jahrzehnten ein weitläufigeres Spektrum eingenommen als die Arbeit von Strich auf Papier.

Doris Fend hat für die Ausstellung Werke von Dietmar Fend, Barbara Geyer und Fridolin Welte als Ausgangspunkt genommen, die sie in früheren Ausstellungen gesehen hatte und sie dazu inspirierten, mit ihnen zusammen für diese Ausstellung auch Neues zu entwickeln.

Für eine Ausstellung im Palais Liechtenstein in Feldkirch hat Dietmar Fend eine gegenstandslose Serie von Grafiken geschaffen, die von seinem bisherigen Arbeiten abweichen. Bislang erkannte man Dietmar Fend anhand seiner abstrahierten und dennoch gegenständlichen Malereien, die oftmals kraftvoll und dynamisch wirken, jedoch stets von einer erdigen Haptik geprägt sind. Bei diesen gegenstandslosen Grafiken handelt es sich um changierende, großteils schwarz-weiße Werke, die aus Lineaturen bestehen. Durch Überlappungen und Verschiebung der Striche, die mit dem Lineal gezogen werden, entstehen teilweise geometrische Muster, die wie Stoffgewebe anmuten. Deren Wirkung gehen über das "flach Gezeichnete" hinaus und eröffnen ein Spektrum des Wandelbaren, Räumlichen hin zur reinen Kontemplation. Dabei kommt auch hier die Materialität nicht zu kurz, sind sie doch auf Büttenpapier ausgeführt.

Es sind kleinformatige Grafitzeichnungen mit dem Übertitel "Rhizom", die Barbara Geyer in Triesen (FL) ausstellte, welche Doris Fend dazu veranlasste die Künstlerin für diese Ausstellung einzuladen. Besonders interessant sind nicht nur die halb gegenständlich, halb gegenstandslos wirkenden Formen, die subtil gezeichnet und durchaus als spielerisch zu bezeichnenden sind. Es ist auch deren Präsentation: die kleinen bezeichneten Blätter liegen lose in Glaskästen, sind in diese hineingezwängt und formen so das zweidimensionale Werk zu einem dreidimensionalen Objekt. Transformation ist für Barbara Geyer ein Aspekt, der sie in ihrer Arbeit ständig begleitet, sei es jene, die in der Natur, in verschiedenen Kulturen stattfindet oder jene, die sich in Zusammenhang mit Prozessen mit dem eigenen Körper ergibt. Ihre Arbeit ist vielschichtig und vielgestaltig und lässt sich nicht in eine bestimmte Richtung einordnen.

Für eine Ausstellung zum Thema "Modell" im Palais Liechtenstein in Feldkirch konzipierte Fridolin Welte verschiedene Werke dreidimensionaler Natur, von denen eine kleine Serie aus betonfarbenen Objekten bestand. Diese, mit einem 3d-Drucker konstruierten, organisch erscheinenden Körper, wirken durch ihre Farbigkeit auf den ersten Blick voluminös und gewichtig, lassen jedoch durch ihre Hohlform jene Leichtigkeit erahnen, die ein Körper nur aus Kunststoff oder Papier haben kann. Hier zeichnet der 3d-Drucker Linien übereinander und erzeugt im Resultat ein dreidimensionales Objekt. Seit geraumer Zeit beschäftigt sich Fridolin Welte mit den Möglichkeiten des 3d-Drucks und zunehmend damit, was sich aus dem Prozess des Druckens auch zufällig ergeben kann. Abgesehen von seiner analytischen Herangehensweise ist Weltes Arbeit auch geprägt vom Spiel mit Begrifflichkeiten, nicht selten gewürzt mit einer Portion von Humor.

Doris Fends künstlerische Arbeit bewegt sich seit jeher im Bereich des Grafischen. Sie stellt dabei die Wahrnehmung der Zeichnung als Nebenprodukt in Frage, das sie aus historischer Sicht innehat. So schuf sie eine Vielzahl von Werken, die Zeichnung und Objekt zugleich sind. Die Reduktion auf den Bleistift, mit dem ein Großteil ihrer gegenstandslosen Arbeiten umgesetzt wurden, kann man auch als Rückbesinnung auf die Basis alles Kunstschaffens verstehen.

Neben der haptischen Stofflichkeit, die von Fends Werken ausgeht, ist es die Beschäftigung mit dem flächigen Raum und dessen Dimensionierung, die ihre Arbeit ausmacht. Dabei ist sie extrem reduziert, sieht ihre Werke jeweils als eine Art Essenz all dessen, was sie gesehen, gelernt und verinnerlicht hat. Progressivität interessiert sie nicht, sondern Reflexion, auch was die Dogmen der konkreten Kunst betreffen. Nicht selten deuten die Titel ihrer Werke (zum Beispiel "kleine Quadraterei", "wall hangings", "drawing chairs" etc.) darauf hin, dass sie die Sache mit Augenzwinkern betrachtet.

Seit ein paar Jahren experimentiert Doris Fend mit einem Seil an der Wand, lässt es mäandern, sich verknoten, Schlingen werfen und so weiter. Es ist ein spielerisches Unterfangen ohne Absicht, da es bislang unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Im vergangenen Sommer hat sie eine Serie von Seilinstallationen mit immer derselben Seillänge an derselben Wand gefertigt. Einmal mit einem roten und einmal mit einem schwarzen Seil aus dem Segelbedarf.

"A rope’s progress" nennt sie diese Serien, die sie jeweils fotografiert und sogleich wieder zerstört. Der Titel bezieht sich, beziehungsweise ist ein assoziiertes Wortspiel zu einer Werkserie von David Hockney mit dem Titel "a rake’s progress", einem Zyklus von Radierungen, der sich wiedrum auf Hogarts "a rake’s progress" bezieht – jedenfalls linear gezeichnete, auf Kupferplatte geätzte Themen zu einer gleichnamigen Oper. Ein Seil an der Wand kann dazu dienen eine Wand zu beschreiben, optisch zu teilen, von der Wand in den Raum herauszuwachsen und so weiter. Es ist wie eine Fortsetzung des gezogenen Strichs, der zumeist auf ein Bildformat beschränkt bleibt. In diesem Fall ist es ein körperhafter Strich, der durch seine Materialiät auch ein Eigenleben besitzt und sich entsprechend formt.

Im Quadrart Dornbirn werden zum einen Zeichnungen auf Papier zu sehen sein und zum anderen Wandarbeiten, ob mit Seil oder direkt auf die Wand gezeichnet, das behält sie sich noch vor.

Dietmar Fend, geboren 1949 in Hohenems, lebt und arbeitet in Hohenems, Studium der Malerei an der Universität für angewandte Kunst in Wien.
Barbara Geyer, geboren 1968 in der Steiermark, lebt und arbeitet in Liechtenstein, studierte Keramik an der Kunstuniversität in Linz.
Fridolin Welte, geboren 1956 in Klaus, lebt und arbeitet in Wien und Oberretzbach, studierte Bildhauerei und Kleinplastik an der Akademie der Bildenden Künstler in Wien
Doris Fend, geboren 1966 in Dornbirn, lebt und arbeitet in Vorarlberg, Studium der Gemälderestaurierung an der Universität für angewandte Kunst in Wien.

"Diesseits und jenseits des Strichs"
Doris Fend, Dietmar Fend, Barbara Geyer und Fridolin Welte
30. Mai 2021 bis 31. Juli 2021
Kuratiert von Doris Fend