Zauberhaft. Maurice Ravels Kinderoper bei den Salzburger Festspielen

Im "Jung und Jeder"-Programm der Salzburger Festspiele ist mit der Kinderoper immer ein kleines Juwel zu finden. Diesmal "L’Enfant et les sortilèges", die Maurice Ravel als ebensolche mit nur fünfzig Minuten sehr kindgerecht komponiert hat. Für die Dirigentin Anna Handler gehört dieses Meisterwerk, für das Ravel fünf lange Jahre gebraucht hat, zum Gipfel seines Schaffens. Die Bearbeitung für eine reduzierte Besetzung mit Flöte, Violoncello und Klavier zu vier Händen ist anspruchsvoll, aber funktioniert in vollem Farbenreichtum dieser wundervollen Musik.

Dass "Das Kind und die Zauberdinge" in deutscher Fassung gereicht wird, ist stimmig. Und dass auch der Text an manchen Stellen neu gesetzt, und das Kind nicht "artig" werden muss sondern ein "gutes" Kind ist, passt besser. Es ist ja eigentlich ein liebes Kind – halt ein Kind – und es hat auch eine liebe Mutter! Dass diese etwas streng werden muss, wenn es bei den Hausaufgaben trödelt, ist verständlich. Die Regisseurin Giulia Giammona zeichnet kein wütendes, sondern eher ein vernachlässigtes, einsames Kind. "Es ist uns ein Anliegen, das Kind nicht per se als unfolgsam zu zeigen, sondern als eines, das überfordert und überreizt ist.“ All das schlage sich auch in der Musik nieder: „Ravel kombiniert viele verschiedene Musikstile und charakterisiert damit die Fülle an Figuren."

Fantasievoll und bunt ist diese Oper angelegt. Außer dem Kind, das Johanna Rosa Falkinger – die in Linz und Wien studiert hat – stimmlich und charakterlich hervorragend gibt, sind alle weiteren Sängerinnen und Sänger in mehreren Rollen besetzt: Da ist die Mutter auch Teetasse und Libelle, die Teekanne auch Mathematiker und Frosch, der Polstersessel auch Baum und die Katze auch Eichhörnchen, das eines der elternlosen Kinder der Bande draußen vor dem Turmzimmer ist, die sich selbst Tiernamen gegeben haben und sich über die weggeworfenen Dinge ärgern. Zum Schluss werden alle Freunde und rufen aus: "Das Kind hat Mut und tut Gutes!"

Man kommt nur noch ins Schwärmen über die großen Talente aus dem Young Singers Project, die wundervollen Kostüme, das Bühnenbild, die Regie und über das Musiker:innen-Ensemble das von der Wahrnehmung her wie ein Orchester klingt! Da muss man gar nicht darüber nachdenken was Ding, wer Kind, was Fabelwesen sei, ob man jedes Wort versteht (bei Kinderopern gibt es natürlich keine mitlaufende Textzeile), man wird hineingesogen in die Musik, in die Bilder, in die Emotion.

Die Kinder bekommen vor der Oper einen Einführungsworkshop, um sich einzustimmen, vielleicht noch aufmerksamer zu lauschen, zu schauen. Die Erwachsenen dürfen sich einfach nur darauf einlassen. Denn wir wissen ja, dass die Sprache der Musik von der rechten Gehirnhälfte rezipiert und verarbeitet wird und Sätze sowie Wörter von der linken, die Musik also direkt beim Zuhörer im Gefühl und Erleben ankommt und nicht in dafür zu findenden Worten gefangen ist. Das war Verzauberung pur, und ein großes Musikerlebnis!

Das Kind und die Zauberdinge
(L’Enfant et les sortilèges)
Maurice Ravel (1875 - 1937)
Libretto von Colette, deutsche Übersetzung von Egon Bloch
Bearbeitung für Flöte, Violoncello und Klavier zu vier Händen von Didier Puntos

Anna Handler – Musikalische Leitung
Giulia Giammona – Regie
Selina Nowak – Ausstattung
Stefan Ebelsberger – Licht
Lukas Leipfinger – Dramaturgie

Johanna Rosa Falkinger – Das Kind
Aitana Sanz-Pérez – Das Feuer / Die Nachtigall
Lilit Davtyan – Der Lehnstuhl / Die Prinzessin / Die Fledermaus
Anita Monserrat – Das Eichhörnchen / Die Katze
Liza Lozica – Die Mutter / Die Teetasse / Die Libelle
Anthony León – Die Teekanne / Der Mathematiker / Der Frosch
Matteo Guerzé – Die Standuhr / Der Kater
Paweł Horodyski – Der Polstersessel / Der Baum

Leona Rajakowitsch – Flöte
Valerie Fritz – Violoncello
Dmitry Mayboroda, Alessandro Stefanelli – Klavier

weitere Aufführungen:
23.8. und am 27.8. um 15:00 Uhr im Schauspielhaus Salzburg