Wilhelm-Raabe-Literaturpreis für Gert Loschütz

Der mit 30.000 Euro dotierte Wilhelm-Raabe-Literaturpreis geht in diesem Jahr an den 1946 im ostdeutschen Genthin geborenen Schriftsteller Gert Loschütz. Der deutsche Autor erhält die von der Stadt Braunschweig und dem Deutschlandfunk gestiftete Auszeichnung für seinen Roman "Besichtigung eines Unglücks" (erschienen 2021 im Verlag Schöffling & Co.). Die Preisverleihung findet am Samstag, den 27. November von 20.05 Uhr bis 22.00 Uhr im Rahmen des "Studio LCB" im Deutschlandfunk statt.

Zur Begründung erklärte die Jury: "Was bedeuten schon vier Sekunden? Nichts und doch alles, wie Gert Loschütz‘ Roman ‚Besichtigung eines Unglücks‘ mit literarischer Meisterschaft zeigt. Auf fast 120 Seiten rekonstruiert der Erzähler Thomas Vandersee eines der schwersten Zugunglücke, die sich je in Deutschland ereignet haben, um dann noch ganz andere Geschichten Fahrt aufnehmen zu lassen, um Schicksale zu beleuchten, die von den Katastrophen des 20. Jahrhunderts bestimmt wurden. Als in der eisigen Nacht vom 21. auf den 22. Dezember 1939, drei Monate nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, im Bahnhof der sachsen-anhaltischen ‚Kanalstadt‘ Genthin zwei D-Züge ineinanderrasten, rührte dieses epochale Verhängnis nicht nur kausal an die Umstände des beginnenden Krieges, sondern kann auch als seine Allegorie gelesen werden. Auch wenn der spröde, immer faktenorientierte Erzählstil symbolische Lesarten an keiner Stelle fördert.
Gerade die sachlich konkrete aktengenaue Manier dieser Romanprosa gibt dem Entsetzen eine angemessene Form, wie später auch der Tragik einer ergreifenden Liebesgeschichte, die in das besichtigte Unglück eingebettet ist. Alle technischen und dramaturgischen Mittel des Romans sind wiederum Teile eines epischen Diskurses über die prägende Macht des Zufalls und die Gleichzeitigkeit, große Geschichte prägend und das Leben und die Liebe einzelner Menschen."