What you see

Anonyme Schnappschüsse sind ideale Projektionsflächen: sie regen die Fantasie des Betrachters an und laden dazu ein, Geschichten zu erfinden. Der 1950 in der italienischen Schweiz geborene Fotograf und Künstler Luciano Rigolini zeigt jedoch, dass diese Momentaufnahmen, losgelöst von ihrem Kontext, auch ein ganz anderes visuelles Erlebnis vermitteln können.

Rigolini fügt die auf Flohmärkten, in vergessenen Archiven oder im Internet aufgestöberten Fundstücke zu einem neuen, eigenständigen Werk zusammen – zu einer Grammatik des Sehens und der Wahrnehmung. Dabei interessiert sich Rigolini vor allem für jene Schnappschüsse, bei denen sich, bewusst oder unbewusst, Form und Struktur in den Vordergrund schieben, so dass der konkrete Bildinhalt zur Nebensache wird. In der klug arrangierten Sequenz lassen sich diese Fotografien nicht mehr einfach als Abbilder der Wirklichkeit lesen. Sie entpuppen sich als Artefakte, die Wirklichkeit konstruieren.

Diese zauberhafte, gleichermassen surreale wie strukturale Snapshot-Installation wird mit Rigolinis "urban landscapes" aus den neunziger Jahren konfrontiert. Jene ungewöhnlichen Stadtansichten, mit denen er unsere Sehgewohnheiten schon damals radikal hinterfragte, korrespondieren in erstaunlicher Weise mit den anonymen Bildern. Als Weiterentwicklung des Themas ist in der Ausstellung "What you see" erstmals eine Serie von neu entstandenen "Maschinenbildern" zu sehen: Rigolini verwandelt dabei unscheinbare technische Gebrauchsfotografien – wiederum objets trouvés – in grossformatige Tableaus von hohem ästhetischem Reiz. Ein Spiel, das den Betrachter zwischen Banalität und tieferer Bedeutung hin- und herwirft.


Publikation zur Ausstellung: Luciano Rigolini - What you see. Herausgegeben von der Fotostiftung Schweiz. Mit einem Text von Peter Pfrunder. Lars Müller Publishers, Baden

Luciano Rigolini - What you see
6. September bis 16. November 2008