Welt-Bilder VI

Wir sehen die Welt in Bildern. Und entwickeln daraus unser Weltbild. "Welt-Bilder" eine Ausstellungsreihe über aktuelle, internationale Fotografie, bietet seit zehn Jahren Möglichkeiten, sich anderen und anderem, aber auch sich selbst anzunähern. "Welt-Bilder VI" zielt auf den Menschen ab: wie er sich orientiert und Halt sucht, wie er manipuliert und auf sich selber zurückgeworfen wird, wie er Gemeinschaft und sich selbst erlebt.

Die "Welt-Bilder" Ausstellungen im Helmhaus, jeweils im Winter, sind zu einer Tradition geworden: Zum sechsten Mal innert zehn Jahren eröffnen sich Einblicke in Bilder aus dieser Welt. Und zeigen, wie Künstlerinnen und Künstler die Welt sehen. Mit jeder Ausstellung nahm die Besucherzahl zu: In unsicheren Zeiten wie diesen steigt das Bedürfnis, mehr über die Welt zu erfahren, als in den Massenmedien steht. Künstler zeigen die Welt anders: Ihr Blick geht den Dingen auf den Grund, wagt Subjektivität und befragt auch die eigene Existenz.

Geografisch bereist die sechste Ausgabe alle fünf Kontinente und Halbkontinente mit Ausnahme von Australien, begibt sich in fünfzehn Länder Afrikas, nach Jordanien, Russland, China, Brasilien, in die USA, nach Kanada und schliesslich nach Schweden, Belgien, Deutschland, Italien und zurück in die Schweiz. Thematisch zielt sie auf den Menschen ab: wie er sich selbst sieht, wie er sich in der Begegnung mit seinen Nächsten zeigt und wie er sich im gesellschaftlichen Umfeld bewegt.

Die intensive Begegnung mit dem einzelnen, exemplarischen Bild widersetzt sich der vielfach konstatierten Bilderflut. Fotografie ist ein ideales Medium, um sich mit dem Verhältnis zwischen dem Menschen und dem, was ihn umgibt zu beschäftigen. Indem sie Raum und Zeit begrenzt, fördert sie die konzentrierte Auseinandersetzung. Es ist eine transformierte, zum Bild gemachte Realität, die sich hier zeigt. Sie dokumentiert – aber sie dokumentiert eine Vorstellung von der Realität, die subjektiv ist. Die Kamera als «verlängertes Auge» vertieft sich in das, was das Interesse der Fotografierenden weckt. Und bietet es den Betrachterinnen und Betrachtern an, um Reflexionen in Gang zu bringen. Was uns zunächst fremd erscheint, führt uns letztlich auf uns selbst zurück.

Diese existenzielle Dimension ist den ausgestellten Arbeiten eigen: Es sind Bilder, die uns mit uns selbst konfrontieren. So machen sie zum Beispiel bewusst, dass in der Grossstadt genauso wie im suburbanen No Manʼs Land und wie im Urwald ein Gefühl von Verlorenheit droht. Dass es aber auch darum geht, diesem Gefühl mit offenen Augen zu begegnen: sich in ein Verhältnis zu setzen mit dem, was verunsichert und manipuliert.

Die Ausstellung eröffnet auch weniger angespannte Beziehungen zwischen Mensch und Natur und zwischen Mensch und Kultur. Entspannte Beziehungen zwischen Menschen: dann, wenn Offenheit da ist, wenn Vertrauen entgegengebracht wird, wenn Austausch statt Reserviertheit gepflegt wird – sei das innerhalb der (Gross-)Familie, sei es im sozialen Gefüge eines Dorfes oder einer Stadt. Dass dieser Umgang mit anderen auch einen entsprechenden Umgang mit sich selbst voraussetzt, zeigen im Prinzip alle Bilder – denn jede Fotografie reflektiert nicht nur ihr Motiv, sondern auch die Sicht des Künstlers. Besonders augenfällig wird das, wenn eine Fotografin ihre Kamera auf sich selbst richtet.

Die Ausstellung "Welt-Bilder VI" ist schliesslich auch formal ein Erlebnis: Das grösste Bild ist fast hundert Quadratmeter gross, das kleinste ist ein Abzug im Albumformat 10 x 15 cm. Messerscharfe, grossformatige Prints sind genauso präsent wie atmosphärische Bilder, für die Schärfe kein Kriterium ist. Tapeziert, in schweren Kastenrahmen, ungeschützt an die Wand gepinnt: Viele Präsentationsformen aktueller Fotografie sind im Helmhaus zu sehen.

Die sechs "Welt-Bilder"-Ausstellungen präsentieren seit 2005 nun 49 differenzierte, manchmal auch widersprüchliche Einsichten in einen unerschöpflichen Gegenstand. Wie immer stammen auch diesmal vier Fotografierende aus der Schweiz und vier aus dem Ausland, sind vier Frauen und vier Männer beteiligt. Das langfristige Projekt der beiden Kuratoren Andreas Fiedler und Simon Maurer ist in sechs kommentierten Bildbänden festgehalten, die im Verlag für moderne Kunst erscheinen und mittlerweile auf über tausend Seiten so etwas wie ein Kompendium der zeitgenössischen Fotografie darstellen.

KünstlerInnen: Shan Feiming (*1978 in Lin’an, China; lebt in Hangzhou, China), Gilles Fontolliet (*1981 in Zürich; lebt in Zürich), Paul Graham (*1956 in Stafford, England; lebt in New York), Lukas Hoffmann (*1981 in Zug; lebt in Berlin), Flurina Rothenberger (*1977 in Männedorf; lebt in Zürich), Lina Scheynius (*1981 in Vänersborg, Schweden; lebt in London), Marike Schuurman (*1964 in Groningen, Niederlande; lebt in Berlin), Annelies Štrba (*1947 in Zug; lebt in Richterswil und Ascona)


Zur Ausstellung erscheint der sechste Band der Reihe "Welt-Bilder / World Images". Dem Thema entsprechend sind im Buch fast alle ausgestellten Werke in hoher Qualität abgebildet, und Texte von Andreas Fiedler, künstlerischer Direktor des "Kindl – Zentrum für zeitgenössische Kunst in Berlin", und Simon Maurer, Leiter des Helmhaus Zürich, bieten Hintergrundinformationen. Gestaltet ist das Buch von sofie’s Kommunikationsdesign, Zürich, den Vertrieb übernimmt der Verlag für moderne Kunst.

Welt-Bilder VI
11. Dezember 2015 bis 21. Februar 2016