Von der herben Zartheit schöner Formen

Eine längst fällige Ausstellung kann nach ihrer Erstpräsentation in Apolda endlich auch im Wilhelm Lehmbruck Museum stattfinden: Eine Retrospektive zu Max Klinger (1857-1920) als Maler, Graphiker und Bildhauer, einem der einflussreichsten Künstler seiner Zeit, dessen Vorstellung vom Gesamtkunstwerk auch in seiner bildkünstlerischen Beschäftigung mit Musik (Ludwig van Beethoven), Literatur und Philosophie (Friedrich Nietzsche) zum Ausdruck kam.

Berühmt wurde Klinger zunächst durch seine symbolistischen und gesellschaftskritischen Radierzyklen, sodann durch polychrom gestaltete Bildwerke wie "Die Neue Salome" (1893), "Kassandra" (1894) und "Beethoven" (1902). Harry Graf Kessler erachtete 1894 den in Paris, Rom und Leipzig tätigen Künstler als "eines der größten lebenden Genies", dessen nachhaltiger Einfluss auf Giorgio De Chirico und den frühen Surrealismus, auf Käthe Kollwitz, Alfred Kubin und Max Beckmann mit Händen greifbar ist. Auch Wilhelm Lehmbruck stand vor allem im Düsseldorfer Frühwerk nachhaltig unter dem Einfluss Klingers. Die in dieser Ausstellung erstmals überhaupt realisierte Gegenüberstellung Klingers und Lehmbrucks mit ausgewählten Werken aus dem Bestand des Lehmbruck Museums kann diese Berührung eindrucksvoll veranschaulichen: vgl. Lehmbrucks Bronze der "Badenden" von 1902 oder seine Zeichnung zur "Kentaurenschlacht" von 1902/04.

Die Privatsammlung Unterberger, die mit bedeutenden und hier erstmals veröffentlichten 90 Arbeiten den Kern der Klinger-Ausstellung ausmacht, kann aus allen Schaffensperioden und in allen Gattungen (Zeichnung, Ex Libris, Malerei, Graphik und Skulptur) die Themen und Schaffensphasen Klingers veranschaulichen. Hierzu gehören wenig bekannte erotische Arbeiten auf Papier und Leinwand sowie Versionen berühmter Skulpturen wie "Kassandra", "Athlet", "Büste Elsa Asenijeff", "Galatea", "Kniende/Kauernde" und "Beethoven". Ergänzend zu dieser Sammlung war es dem Kooperationspartner Kunsthaus Apolda Avantgarde gelungen, aus den benachbarten Museen in Altenburg, Burgk, Chemnitz, Eisenach, Leipzig, Weimar und Zwickau zusätzlich herausragende Werke zu integrieren. Hierzu gehören das Gemälde "Dame in Blau", Studien zum "Meeresfries", Büste und Totenmaske von Nietzsche sowie bedeutende graphische Zyklen Klingers wie die Intermezzi Opus IV, Ein Leben Opus VIII, Vom Tode. Zweiter Theil Opus XIII.

Zur Ausstellung erscheinen 2 Bände, ein Katalogband mit Abbildungen aller 181 Werke und mit Beiträgen von Gottlieb Leinz, Hans-Dieter Mück, Raimund Stecker und Siegfried Unterberger, herausgegeben von Hans-Dieter Mück, 168 Seiten, sowie als Band II eine aus Dokumenten neu zusammengestellte und reich bebilderte Biographie zu Leben und Werk von Max Klinger von Hans-Dieter Mück, 180 Seiten, an der Museumskasse zu erwerben für zusammen 30,-Euro.

Max Klinger. Von der herben Zartheit schöner Formen
Aus der Sammlung Siegfried Unterberger (Meran/Leipzig)
und aus Museen Thüringens und Sachsens
Mit einem Werkkomplex von Wilhelm Lehmbruck aus dem Lehmbruck Museum
21. Januar bis 1. Mai 2011