Von Arman bis Warhol

Bereits 1985, anlässlich der Verleihung des Kulturpreises der Stadt Koblenz, trug der 1996 verstorbene Peter Ludwig seine Vision eines Museums für zeitgenössische Kunst am "Deutschen Eck", zwischen Kaiser-Wilhelm-Denkmal und Kastorkirche, vor. Es folgte 1988 in Koblenz die Ausstellung "Kunst heute in Frankreich" im Haus Metternich mit Beständen aus der Neuen Galerie - Sammlung Ludwig, die Aspekte der neueren französischen Kunst aus der Sammlung Ludwig erstmals in dieser Form präsentierte.

Das dann mit der Ausstellung "Atelier de France" im September 1992 eingeweihte Ludwig Museum widmet sich seit dieser Zeit ausschließlich der zeitgenössischen Kunst und bildet mit seinem Grundstock an Sammlungsbeständen einen Schwerpunkt in der zeitgenössischen französischen Kunst. Wie in einem dialogischen Zueinander bereichern deutsche wie auch amerikanische Positionen der Kunst nach 1945 dieses Spektrum. Die Koblenzer Sammlung wurde im Kern bereits zur Eröffnung des Museums mit den Beständen der Sammlung Ludwig konzipiert. Sie beruht im Wesentlichen auf Dauerleihgaben sowie Schenkungen, wobei namhafte Künstler des Nachbarlandes Frankreich (Pablo Picasso, Jean Dubuffet, Pierre Soulages, Serge Poliakoff) in einem engen zeitlichen Dialog stehen mit amerikanischen (Jasper Johns, Willem de Kooning, Robert Rauschenberg) und deutschen Künstlern der Zeit nach 1945 (K. O. Götz, Bernhard Schultze, Karl Fred Dahmen).

Im Laufe der letzten Jahre konnte die Sammlung durch diverse Schenkungen (z.B. im Jahr 2008 Fotoarbeiten der in Hamburg lebenden Bulgarin Pepa Hristova sowie die Skulptur "Fatty" des Chinesen Mu Boyan) und Neuerwerbungen (u.a. Patrick Raynaud, Jacques Monory, Olivier Debré) sinnvoll ergänzt und erweitert werden. Zu den Schwerpunkten der Sammlung gehören die Werke derjenigen Künstlergeneration, die um 1960 in der Öffentlichkeit in Erscheinung trat und sich in Gruppen wie den "Nouveaux Réalistes" (Arman, César, Jean Tinguely, Martial Raysse, Niki de Saint Phalle, Daniel Spoerri) sowie einigen "Fluxus"-Künstlern (Ben Vautier, Wolf Vostell) formierten. Hinzu kommen Künstler, die eine französische Variante der Pop-Art entwickelten, wie Alain Jacquet oder der aus Island stammende Maler Erró. Werke von Claude Viallat und Louis Cane vermitteln einen Eindruck von der abstrakten Kunst der im Jahr 1969 gegründeten Gruppe "Support - Surface". Die sich 1980 konstituierende "Figuration libre", die französische Variante der "Neuen Wilden", wird u.a. durch Werke von Jean-Charles Blais, Francois Boisrond, Hervé di Rosa und Robert Combas repräsentiert.

Das Ludwig Museum nutzt neben seinen Ausstellungsräumen auf vier Etagen auch das angrenzende Parkareal, das sich als "open space" für markante Skulpturen und Objekte anbietet. Dauerhaft verankert finden Besucher hier den "Daumen" von César und die Installation "Stätte der Erinnerung und des Vergessens" von Anne und Patrick Poirier, die diese monumentale Arbeit eigens zur Museumsgründung entwickelt haben. Letztere befindet sich auf der historischen Mauerkrone des historischen "Deutsches Eck", in der unmittelbaren Blickachse zum Historismusdenkmal am Deutschen Eck, mit seinem sich von Frankreich abwendenden Kaiser Wilhelm I. So bildet diese "Stätte" nicht ohne Hintersinn einen zeitgenössischen Gegenpart und leistet mit seiner antikisierenden Form eine visuelle Vermittlung zwischen dem Alten und dem Neuen.

Das Ludwig Museum bedarf nach nunmehr siebzehn Jahren einer Erweiterung seiner Sammlungsbestände. Sicherlich nicht nur vor dem Hintergrund, dass Wechsel und neue Sichten auf Sammlungsbestände stets neu aktiviert werden müssen, sondern auch im Hinblick auf die eigenen Ausleihmöglichkeiten, die ihrerseits die Zusammenarbeit mit vergleichbaren Institutionen erst ermöglichen werden. So entstand vor mehr als eineinhalb Jahren zwischen dem Museum Ludwig in Köln und dem Ludwig Museum in Koblenz ein Dialog, der auf einen langfristigen Tausch bestimmter Werke ausgerichtet sein sollte, um das Profil jedes der beiden Institutionen zu stärken. Bereits bei der Neueröffnung des Museum Ludwig in Köln im Jahr 2001 lieh das Ludwig Museum drei Hauptwerke aus, mit der die Kölner Präsentation "Museum unserer Wünsche" bereichert wurde. Dies waren je eine Arbeit von Daniel Buren, Pierre Klossowski und Robert Filliou. Diese drei Hauptwerke der Koblenzer Sammlung sind dann in gegenseitigem Einverständnis in Köln verblieben.

Um diese, aber auch weitere Lücken der Sammlung in Koblenz schließen bzw. um auch neue Akzente setzen zu können, wurde in den letzten Monaten daran gearbeitet, weitere Werke aus dem Sammlungsbestand aus Köln als Dauerleihgaben für Koblenz auszuwählen und im Einverständnis mit Irene Ludwig ab dem Frühjahr 2009 nach Koblenz zu transferieren. Unter den ausgewählten Werken befinden sich nun ebenfalls einige Schlüsselwerke, die das Sammlungsprofil in Koblenz stärker herausarbeiten. Es sei exemplarisch verwiesen auf: die große dreiteilige Arbeit "Nominativ" von Arman, das zweiteilige "Roman Color Charts" von Jim Dine und das Portrait "Peter Ludwig" von Andy Warhol. Gedacht ist auch an eine Präsentation der Skulptur von Nancy Stevenson Graves "Ceridwen – out of fossiles" im Außenbereich des Ludwig Museums (für 2009 vorerst temporär, dann im Rahmen der BUGA 2011 ggf. mit neuem Sockel auf Dauer).

Die Ausstellung "Von Arman bis Andy Warhol. Die neuen Meisterwerke im Ludwig Museum" dient der Neu- und Wiederpräsentation von Werken, die nun als Bestandserweiterung in das Ludwig Museum integriert werden, wie auch der Exposition von Werken, die zum Teil schon seit längerem im Depot lagern (z.B. Jean Olivier Huxleux, Peter Klasen, Gérard Garouste). Diese Überblicksschau wird die Bedeutung der wichtigen Sammlung in Koblenz und in Rheinland-Pfalz deutlich steigern. Sie soll zugleich den Besuchern Spaß machen und diese visuell und intellektuell bereichern und darüber hinaus eine Möglichkeit bieten, eine eigene Bestandsaufnahme und Positionsbestimmung zu wagen. In diesem Zusammenhang entsteht ein Bestandskatalog, der alle wichtigen Werke mit Abbildung und kurzem Text vorstellt (ca. 148 Seiten, mindestens 100 Farbabbildungen, modo Verlag, Freiburg). So wird eine Publikation vorliegen, die auch über die BUGA 2011 hinaus als ein wichtiges Kompendium zur Koblenzer Sammlung fungieren wird.


Von Arman bis Andy Warhol
10. Mai bis 5. Juli 2009