Virtuose Wienerliedseligkeit

8. Dezember 2022 Martina Pfeifer Steiner —
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"Lieder aus Wien" ist die große Überschrift des Zyklus im Wiener Konzerthaus. Zu insgesamt vier hochkarätigen Konzerten sind die Besten ihres Fachs eingeladen: zum Jahresausklang waren dies das Kollegium Kalksburg und "Sterzinger V". Gleich am Anfang ist klar, dass die Künstlergruppen nacheinander auftreten, und man fragt sich nach der ersten, wie solches musikalisches Vergnügen noch zu toppen sei.

Als "dilettierende Kapellmeister" bezeichnet sich das Kollegium Kalksburg provokant.
Aber dem Trio ist es mitzuverdanken, dass das Wienerlied in den vergangen Jahren eine Renaissance erleben durfte. Sie verwandeln traditionelle Schrammelmusik auf ihre eigen-artige Weise in etwas Zeitgenössisches, unheimlich Unterhaltendes. Alle drei (Heinz Ditsch, Paul Skrepek, Wolfgang Vincenz Wizlsperger) kommen ursprünglich vom Jazz und verpflichteten sich anlässlich des Herz.Ton.Wien-Festivals (1996) der "Wiener Gesangs- und Musiciertradition", und das mit Lust und Experimentierfreudigkeit, mit Kontragitarre, Akkordeon, Kamm, Singender Säge, Euphonium und weinseligem Gesang.

Leger kündigt Wolfgang Vincenz Wizlsperger das Programm in drei Blöcken an:
Zuerst Liebeslieder, die eher Sauflieder seien, weil die unglückliche Liebe besungen, "... wie kommts, dass si die besten Frauen auf die größtn Trottln hauen .." und dann doch ein treuherzigeres: "Du konnst stur sein wi a Esel, oba stur sein konn I-aaah". Danach der Fleischblock, in dem es um Ernährungsfragen geht: "A Gulasch kocht si net von selba ..". Die drei Musiker sind so witzig, mitreißend und dermaßen virtuos! Und am Ende geht´s doch ums Sterben, seien die melancholischen Wienerlieder gerade bei dieser Thematik sehr kompetent: "I wüll die Potschn gmüatlich strecken ...", in kabarettistischer Einlage öffnet Wizlsperger lasziv sein Hemd und bietet auch noch seine Nierndln an: "wer´s wüll konn´s gern noch verwenden ...".

Und es funktionierte hervorragend, denn das war ja kein Wettbewerb um die Superlative. Wenn der eigenwillige Grenzgänger Stefan Sterzinger nach der Pause mit seinem Akkordeon in breiter Lässigkeit die Bühne betritt, sind die vier Kollegen schon an ihren Plätzen/Instrumenten, und ein voller Orchesterklang breitet den roten Teppich aus, für den ironisch-kritischen, wortgewandten Liedermacher. Da taucht das Publikum in eine ganz andere, sehr moderne, meisterhaft musizierte Klangwelt ein. Das Quintett (Stefan Sterzinger, Akkordeon, Gesang; Gerald Preinfalk, Sopransaxophon, Bassklarinette; Edi Köhldorfer, Gitarre; Franz Schaden, Kontrabass; Jörg Mikula, Schlagzeug) feiert die zeitgenössische Wiener Weltmusik, jazzig, mit wohlgeformten Lyrics: "Musik zwischen allen Stühlen, wie es sich gehört. Lieder mit 'jazzbased rock´n roll attitude' und fetten Momenten Neuer Musik ...".

Noch bevor Sterzinger die Damen und Herren und alle, die sich in den Zwischenräumen wohler fühlen, begrüßt, gibt er seinen Herzschmerz-Klassiker zum Besten: "Trallalla, ..., joessassna, mein Hirn ist viel zu klan, mein Herz ist viel zu groß, dos geht bestimmt nach hinten los". Und jetzt kommen die wahrhaften Liebeslieder: "wo bist denn, wo bleibst denn, seit vurgestern bin i verluorn ohne di ..." oder "wenn du willst, du konnst mich hobn, sag wie hättest du mich gern ...", am Montag, Dienstag ... aber am Wochenende möchte er sich gerne ausruhen. Weiter geht´s mit Vertonungen von Originalgedichten und Collagen aus dem Wortmaterial von Elfriede Gerstl – der heimlichen Königin der Wiener Dichtkunst des 20. Jahrhunderts – und von Konrad Bayer.

Zum Abschluss noch eine schräge Zugabe, bei der sich das Publikum die fünf in weißen Bademänteln und mit Instrumenten aus Glas vorstellen dürfen ... "Hollunder ... Plunder ... Glaubersalz ... Zyankali ... nicht mehr weh, nicht mehr weh ..." – ein seliges Schwelgen in wunderbarer Musik.

Lieder aus Wien
im Wiener Konzerthaus

Kollegium Kalksburg
Heinz Ditsch, Akkordeon, Singende Säge, Gesang
Paul Skrepek, Kontragitarre, Gesang
Wolfgang Vincenz Wizlsperger, Gesang, Kamm, Euphonium

Sterzinger V
Stefan Sterzinger, Akkordeon, Gesang
Gerald Preinfalk, Sopransaxophon, Bassklarinette
Edi Köhldorfer, Gitarre
Franz Schaden, Kontrabass
Jörg Mikula, Schlagzeug