Virtuos imitiert

Die virtuosen Kupferstiche und Farbholzschnitte des Haarlemer Stechers Hendrick Goltzius markieren einen Höhepunkt der holländischen Druckgraphik des 16. Jahrhunderts. Goltzius, zu seiner Zeit einer der besten Kupferstecher in Europa, schuf zahlreiche eigene Kompositionen von beeindruckender technischer Brillanz. Er galt auch als Meister im Nachahmen und Übertreffen anderer Stile und arbeitete nach Vorlagen anderer Künstler wie Albrecht Dürer oder Lucas van Leyden.

Ausgangspunkt der Ausstellung im Kupferstichkabinett der Kunsthalle Bremen sind die sechs "Meisterstiche" mit christlichen Motiven, die ergänzt werden durch 40 bislang selten oder nie gezeigte Werke Goltzius’.

Hendrick Goltzius imitierte die künstlerischen Verfahrensweisen berühmter Vorgänger, ohne sie exakt zu kopieren. Er war in der Lage, Stiche in deren Manier völlig neu zu erfinden und die Kennerschaft des Publikums auf die Probe zu stellen. Neben Gemälden und Stichen zeitgenössischer Künstler gehörten auch deutlich frühere Vorbilder dazu, mit denen Goltzius in einen künstlerischen Wettstreit trat und sie zu übertreffen suchte. Für Goltzius sind dies neben antiken Skulpturen, die er während seiner Reise nach Italien 1590/91 zeichnete, vor allem Lucas van Leyden und Albrecht Dürer, aber auch Raffael und Michelangelo.

Werke von Goltzius werden zum ersten Mal monographisch in der Kunsthalle gezeigt. Die Ausstellung, die wieder einen Teilbestand des Kupferstichkabinetts aufarbeitet, schließt chronologisch und thematisch an die vorangegangene Schau mit italienischer Druckgraphik des Manierismus an und lässt dadurch die enge Verflechtung der Künste nördlich und südlich der Alpen anschaulich werden.

Ausgangspunkt der Präsentation "Virtuos imitiert. Die Meisterstiche des Hendrick Goltzius (1558–1617)" im Kupferstichkabinett sind die sechs "Meisterstiche" mit christlichen Motiven von 1593/94, die nach der Italienreise Goltzius’ entstanden. In ganz eigenständiger Weise verarbeiten sie sowohl nordalpine als auch italienische Vorbilder, etwa von Tizian, Federico Barocci und Jacopo Bassano. Ergänzt wird die Präsentation der "Meisterstiche" durch eine Auswahl von rund 40 bislang selten oder nie präsentierten Kupferstichen und Holzschnitten des Haarlemer Stechers aus dem Alten Bestand.

Einen Schwerpunkt bilden dabei mythologische Szenen, z. B. die berühmten "Himmelsstürmer" (1588), Goltzius größte, von drei Kupferplatten gedruckte Komposition, die "Hochzeit von Amor und Psyche" (1587, 490 x 876 mm ), sowie Stiche nach antiken Statuen (1592), etwa der "Apoll von Belvedere" und der berühmte "Herkules Farnese". Daneben präsentiert die Ausstellung Porträts von Zeitgenossen Goltzius’, z. B. das großformatige, unmittelbare "Bildnis des Dirck Volckertsz. Coornhert" (1590), bei dem Goltzius in die Lehre ging, und das ungewöhnlich lebendige "Kinderbildnis des Frederik de Vries" (1597).

Neben einer Folge kleinformatiger, sehr spät entstandener Landschaften in Holzschnitt sind außerdem Darstellungen antiker Gottheiten in der komplizierten Technik des Farbholzschnittes ausgestellt. Für jede der drei verwendeten Farben musste ein eigener Holzblock für den Druck geschnitten werden. Einen besonderen Höhepunkt bilden die unvollendeten Stiche der "Anbetung der Hirten" (1599) und des "Bethlehemitischen Kindermordes" (1585/86), die einerseits mit der Vorstellungskraft des Betrachters spielen, andererseits den technischen Vorgang des Kupferstechens anschaulich werden lassen.


Virtuos imitiert
Die Meisterstiche des Hendrick Goltzius (1558–1617)
3. Dezember 2014 bis 1. Februar 2015