Viennale 2017: Höhepunkte des Jahres, Filmgeschichte und Hommage an Hans Hurch

Wie gewohnt bietet auch die heurige Viennale (19.10. – 2.11. 2017) einen Ausschnitt aus dem weltweiten Filmschaffen des Jahres, erinnnert aber auch mit einem Schwerpunkt an den am 23. Juli völlig überraschend an einem Herzversagen verstorbenen Langzeitdirektor Hans Hurch.

Eröffnet wird die heurige Viennale, die nach dem Tod Hurchs interimistisch von Franz Schwartz geleitet wird, mit John Carroll Lynchs "Lucky". Getragen wird dieses in einem Wüstenkaff im Südwesten der USA angesiedelte lakonische Porträt eines alten Eigenbrötlers vom wunderbaren 91-jährigen Harry Dean Stanton, der hier in seiner letzten Rolle zu sehen ist.

Als Abschlussfilm wird "La villa" gezeigt, in dem Robert Guédiguian von drei Geschwistern erzählt, die anlässlich eines Treffens im Haus ihrer Kindheit in der Nähe von Marseille ihr Leben Revue passieren lassen.

Dazwischen werden 14 Tage lang zwischen Stadtkino im Künstlerhaus und Urania, zwischen dem an ein Theater erinnernden ehrwürdigen Saal im Metrokino und dem 1960 erbauten großen Saal des Gartenbaukinos Highlights am Fließband geboten. Aus dem Programm von Cannes holte man sich Robin Campillos vielbeachtetes Aids-Drama "120 Battements par minute" ebenso wie Andrey Zvyagintsevs düsteren "Nelyubov – Loveless", den Gangsterfilm "Good Time" der Brüder Benny und Josh Safdie oder Sean Bakers hochgelobter "The Florida Project".

Seine Österreich-Premiere feiert bei der Viennale auch Valeska Grisebachs "Western", dessen Stern ebenfalls in Cannes aufging. Wunderbar unaufgeregt und fast dokumentarisch erzählt Grisebach darin von einem Trupp deutscher Bauarbeiter, der in Bulgarien ein Wasserwerks bauen soll. Der 49-jährigen deutschen Regisseurin ist auch eine Werkschau gewidmet, die durch drei von ihr ausgewählte Filme - Maurice Pialats "Passe ton bac d´abord...", Miloš Formans "Lásky jedné plavovlásky und Henry Kings Western "The Gunfighter" ergänzt wird.

Spannende Produktionen wurden auch vom Filmfestival von Venedig nach Wien geholt. Monate vor dem regulären Filmstart kann man so bei der Viennale Alexander Paynes Satire "Downsizing", Guillermo del Toros Löwen-Gewinner "The Shape of Water" oder Hirokazu Koreedas Gerichtsdrama "The Third Murder" bestaunen. Frederick Wiseman setzt mit "Ex Libris – The New York Publik Library" seine Untersuchung von Institutionen fort und für einen Höhepunkt und Publikumserfolg wird sicherlich Martin McDonaghs am Lido gefeierte schwarze Komdöie "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri" sorgen.

Auch die neuen Filme von Woody Allen ("Wonder Wheel") und Richard Linklater, der mit "Last Flag Flying" eine Fortsetzung von Hal Ashbys "The Last Detail" (1973) gedreht hat, konnten nach Wien geholt werden.

Neben großen Namen bieten sich aber auch zahlreiche Möglichkeiten für Entdeckungen. Gespannt sein darf man so unter anderem auf Eliza Hittmans "Beach Rats" oder auf Carla Simons "Estiu 1993", aber auch auf das rätselhafte Vexierspiel "Tiere", mit dem sich der Pole Greg Zglinski auf den Spuren David Lynchs bewegt und die Grenzen zwischen Realität und Einbildung verschwimmen lässt.

Gleichrangig neben den Spielfilmen stehen bei der Viennale die Dokumentarfilme. Auch heuer wartet das größte österreichische Filmfestival mit einer reichhaltigen und spannenden Auswahl auf. Der Bogen spannt sich hier von Amos Gitais "West of the Jordan River" über "Brimstone and Glory", in dem Viktor Jakovleski sich der Feuerwerk-Industrie des mexikanischen Tultepec widmet, bis zu Romuald Karmakars Reise durch die Welt des Techno in "Denk ich an Deutschland in der Nacht".

Die Viennale ist aber auch eine Plattform für das österreichische Kino. Barbara Alberts "Licht", der beim Festival von San Sebastian bei den Preisen zwar leer ausging, von den Kritikern aber begeistert aufgenommen wurde, wird hier ebenso seine Österreich-Premiere feiern wie Astrid Johanna Ofners an die Filme von Straub/Huillet erinnernde Peter Weiss-Verfilmung "Abschied von den Eltern".

Breiten Raum nimmt aber auch die Erinnerung an den verstorbenen Hans Hurch ein, der das Festival von 1997 bis zu seinem Tod in diesem Sommer in Rom leitete. Hurch starb in der italienischen Hauptstadt, wo er Abel Ferrara treffen wollte, der den heurigen Festival-Trailer gestaltete. 14 Persönlichkeiten, die der Verstorbene zu vergangenen Ausgaben des Festivals nach Wien holte, wurden eingeladen, einen Film auszuwählen, den sie Hans Hurch widmen möchten. Der Bogen spannt sich von Wong Kar-wais "In the Mood for Love", für den sich der Kameramann Ed Lachman entschied, über Robert Bressons "Au hasard Balthazar" als Tilda Swintons Wahl bis zu Klaus Wybornys Votum für Jean-Marie Straubs und Danièle Hullets Hölderlin Adaption "Antigone".

Daneben ist die Viennale aber auch heuer wieder ein Ort, an dem ausgiebig die Filmgeschichte gepflegt wird. So wird einerseits unter dem Titel "Napoli! Napoli!" ein Blick auf das neapolitanische Filmschaffen der 1980er und 1990er Jahre geworfen, andererseits die österreichische Kinopionierin Carmen Cartellieri vorgestellt.

Tradition hat die zusammen mit dem Filmmuseum kuratierte große Retrospektive, die sich heuer anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Oktoberrevolution unter dem Titel "Utopie und Korrektur" dem sowjetischen Filmschaffen der späten 1920er und 1930er Jahre sowie dem der 1950er bis 1970er Jahre widmet.

Trailer zur Viennale 2017