Viennale 2015: Suche nach Schätzen, Suche nach Glück

Highlights von Meisterregisseuren wie "Carol" von Todd Haynes oder "Unsere kleine Schwester" von Hirokazu Kore-eda bietet die Viennale fast am Fließband, daneben kann man aber auch Perlen von (noch) weniger bekannten Regisseuren entdecken.

Vincent ist aus Paris nach New York gekommen, um seine Freundin Barbara zurückzuerobern. Diese aber will nichts von ihm wissen, dennoch lässt er nicht locker. Für die Schönheiten der Stadt und für andere Menschen, wie die Dänin Sophie, die sich ihrerseits in ihn verliebt, hat Vincent keinen Blick, ganz auf Barbara ist er fokussiert.

Armel Houstious zweiter Spielfilm "Une histoire américaine" mag sich gegen Ende hin ziehen, nicht frei von Längen sein, doch wie er zwischen Komik und Tragik balanciert, wie er den Ton genau trifft und wie er die Geschichte im Big Apple verankert, dessen sich mit den Jahreszeiten und Örtlichkeiten wechselnde Atmosphäre evoziert, ist beeindruckend und nimmt für diesen Film ein, der auch eine Liebeserklärung an die Metropole am Hudson River ist.

Nur noch als Erinnerung auf Video existieren die Erfolge für den slowakischen Boxer Peter Baláz, den man nur "Koza", die Ziege nennt. Immer wieder schaut er den Mitschnitt von seinem Kampf bei den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 an. In der ersten Runde ging er zwar zu Boden, aber immerhin war er dabei. Immer noch trainiert er, joggt durch eine triste Winterlandschaft und zieht dabei einen Autoreifen hinter sich her, doch die alten Zeiten sind längst vorbei.

In den Boxring will er, der jetzt für einen Schrotthändler arbeitet, erst wieder steigen als seine Partnerin schwanger ist und 400 Euro benötigt, um das Kind abzutreiben, das er eigentlich behalten will. Mit seinem Chef als Box-Manager bricht er durch die slowakische Provinz, durch Österreich und Deutschland zu einer Serie von Kämpfen auf, geht aber meist in der ersten Runde zu Boden.

Keine Aufsteigergeschichte à la "Rocky" erzählt Ivan Ostrochovsky in "Koza", sondern die Geschichte einer einzigen Serie von Niederschlägen und Niederlagen in einer tristen Welt. Nicht nur bei den Fahrten durch triste Winterlandschaften und den Stops in schäbigen Boxhallen bleibt die Kamera statisch und blickt in sorgfältig kadrierten Einstellungen aus der Distanz auf das Geschehen, sondern auch bei den Kämpfen wird der Zuschauer nicht mit schnellen Schnittfolgen und Nahaufnahmen involviert, sondern bleibt in der Beobachterposition. Der Blick richtet sich dabei aber nicht nur auf den Boxring, sondern auch auf das Publikum der Kämpfe. Denn während Peter hier quasi ums Überleben kämpft, unterhalten sich die die Zuschauer amüsiert, essen ihr Würstchen oder nippen an ihrem Weinglas.

Mit großer Konsequenz erzählt Ostrochovsky, steigert die Tristesse durch den Verzicht auf Musik, bietet kein Feelgood-Movie, aber starkes sozialrealistisches Kino vom Leben am Rande der Gesellschaft, das freilich auch von seinem Hauptdarsteller Peter Baláz getragen wird, der auch im realen Leben als Boxer bei den Olympischen Spielen in Atlanta teilnahm und bei dem sich hier Spiel und Leben zumindest teilweise decken.

Bräuchten der Boxer und seine Freundin 400 Euro für die Abtreibung, so benötigt der Bukarester Adrian 800, um einen Metalldetektor zu mieten, mit dem man im Garten seines Großvaters auf Schatzsuche gehen könnte. Denn zumindest angedeutet hat der Opa einst, dass ein solcher im Garten des Landhauses vergraben ist.

Weil Adrian das Geld nicht hat, bittet er in Corneliu Porumboius "Comoara - The Treasure" seinen Nachbarn Costi um das Geld. Der lehnt zwar zunächst ab, erklärt sich dann aber doch bereit die Summe aufzutreiben und Adrian zu helfen, verspricht dieser ihm doch den halben Schatz, mit dem Costi zudem seinem fünfjährigen Sohn imponieren könnte – für ihn zum Held werden könnte wie Robin Hood, dessen Abenteuer als Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen werden.

Waren Porumboius Filme bislang recht sperrig, zumal "When Evening Falls on Bucharest" war mit seinen endlosen Einstellungen eine ziemlich Strapaze, so legt er mit "Comoara – The Treasure" eine stringent erzählte, trockene Komödie vor, in der es an hinreißend absurden Szenen nicht mangelt.

Beiläufig deckt Proumboiu dabei nicht nur rumänische Verhältnisse von Verschuldung durch die Wirtschaftskrise bis zu Korruption auf, sondern spricht auch analog zur Grabung im Garten, die sich über einen ganzen Tag vom Morgen bis in die tiefe Nacht hinzieht, quasi in einer historischen Tiefenbohrung zentrale Ereignisse der rumänische Geschichte von der Revolution im Jahre 1848 über den Kommunismus bis zu den Folgen der Wirtschaftskrise von 2008 an.

Nicht nach Geld, aber nach einem Platz im Leben und damit nach Glück sucht dagegen die junge Israelin Noa in Ester Amramis Langfilmdebüt "Anderswo", das als Abschlussarbeit an der Filmuniversität Babelsberg "Konrad Wolf" entstand.

Seit Jahren studiert Noa zwar in Berlin, doch als ihre Abschlussarbeit über nicht übersetzbare Wörter abgelehnt wird und zudem ihr Freund ein Engagement als Posaunist in Stuttgart annehmen will, reist sie kurzerhand zurück nach Israel. Im dortigen Familienleben kann sie sich allerdings auch nicht mehr einfinden und zudem kompliziert werden die Verhältnisse als auch noch ihr deutscher Freund eintrifft.

Mit leichter Hand und genauem Blick erzählt Amrami, die selbst in Israel geboren wurde und seit 2005 in Berlin lebt, nicht nur von der Zerrissenheit einer jungen Frau zwischen zwei Welten und ihrer schwierigen Suche nach Orientierung, sondern deckt auch mit treffendem Witz kulturelle Differenzen zwischen Deutschland und Israel auf. Ebenso gekonnt wie verspielt wirft sie dabei auch die Frage nach der grundsätzlichen Möglichkeit der Verständigung über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg auf, die auch in eingeschnittenen Interviews zur Erklärung von unübersetzbaren Wörtern wie des portugiesischen "Saudade" oder des italienischen "Magone" thematisiert wird.