Vielversprechendes Line-up - Das 59. Filmfestival von San Sebastian

Das 59. Filmfestival von San Sebastian/Donostia (16. bis 24.9.) lässt zumindest von den Namen her auf einen starken Wettbewerb hoffen. Neben anderen konkurrieren Terence Davies, Hirokazu Kore-Eda, Kim Ki-duk und Oren Moverman mit neuen Filmen um die Goldene Muschel.

Nicht viel Gutes hörte man letztes Jahr über das Niveau des Filmfestivals von San Sebastian in der baskischen Metropole, schon vom endgültigen Absturz in die Zweitklassigkeit war die Rede. Heuer darf man hoffen, dass nicht zuletzt die zahlreich vertretenen großen Namen für positive Schlagzeilen sorgen.

Eröffnet wird das Festival mit Juan Carlos Fresnadillos Horrorthriller "Intruders", in dessen Zentrum zwei Familien stehen, deren Leben aus der Bahn gerät. Gespannt sein darf man im Wettbewerbsprogramm vor allem auf Terence Davies´ "The Deep Blue Sea". Mit dieser Verfilmung des gleichnamigen Stücks von Terence Rattigan legt der eigenwillige Brite seinen ersten Spielfilm seit dem 200 gedrehten "House of Mirth – Haus Bellomont" vor. Im Mittelpunkt des Kammerspiels "The Deep Blue Sea" steht eine verheirateten Frau, die sich in einen anderen Mann verliebt

Still geworden ist es in den letzten Jahren auch um den Südkoreaner Kim Ki-duk, während er zuvor fast am Fließband Filme wie "Frühling, Sommer, Herbst, Winter… und Frühling", "Samaria", "Bin-Jip" oder "Der Bogen" vorlegte. Vier Jahre hatte er sich dann zurückgezogen, ehe in völliger Einsamkeit der Dokumentarfilm "Airang" entstand, in dem er eine schwere Depression künstlerisch verarbeitete. Nachdem dieser Film in Cannes uraufgeführt wurde und den Hauptpreis in der Nebensektion Un certain regard erhielt, präsentiert er nun mit dem in Europa gedrehten "Amen" in San Sebastian seinen zweiten Film in diesem Jahr.

Lange gewartet hat man auch auf Hirokazu Kore-Edas "Kiseki - I Wish". Der Japaner, der ein Stammgast bei diesem Festival ist, schon "Hana" und "Still Walking" an diesem Ort vorstellte, erzählt von einem 12-jährigen Jungen, dessen größter Wunsch es ist wieder mit seinem älteren Bruder zusammen zu sein, der seit der Scheidung der Eltern anderswo wohnt. Die USA sind im Wettbewerb mit Oren Movermans "Rampart" vertreten. Seinem starken Antikriegs-Drama "The Messenger" lässt Moverman damit eine mit Starbesetzung (Woody Harrelson, Robin Wright, Steve Buscemi, Sigourney Weaver) aufwartende Verfilmung eines Krimis von James Ellroy folgen. Auch kein Unbekannter ist der Chinese Wang Xiaoshuai ("Beijing Bicycle"), der in "11 Flowers" aus der Sicht eines Jungen die turbulente Zeit vor dem Tod Mao Tse-Tungs schildert.

Stark vertreten sind im Wettbewerb auch weibliche Regisseure. Die kanadische Schauspielerin Sarah Polley erzählt in ihrer zweiten Regiearbeit "Take This Waltz" von einer jungen Frau, die mit ihren widersprüchlichen Gefühlen kämpft, ihre Kollegin Julie Delpy legt mit "Le Skylab" dagegen eine nostalgische in den 70er Jahren spielende Komödie über die Wiedervereinigung einer Familie vor. Und auch die Argentinierin Ana Katz erzählt in "Los Marziano" eine Familiengeschichte, wobei hier zwei sich Brüder, die sich fremd geworden sind und sich bei einem Familienfest wieder begegnen, im Zentrum stehen.

Wie jedes Festival besteht aber auch das von San Sebastian nicht nur aus dem Wettbewerb, sondern wartet noch mit attraktiven Nebenreihen auf. So verstehen sich die "Zabaltegi Pearls" als ein "Best of" der anderen Festivals. Der Berlinale-Sieger "Nader and Simin - A Separation" läuft in dieser Reihe ebenso wie Nicolas Winding Refns meisterhafter Thriller "Drive", Aki Kaurismäkis "Le Havre", Michel Hazanavicius "The Artist" oder Steve McQueens "Shame" und Johnnie Tos Actionthriller "Life without principle", die beide ihre Weltpremiere im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig feierten.

Dem jungen Kino widmet sich die Sparte "Zabaltegi – New Directors", in der 15 erste und zweite Spielfilme um den mit 90.000 Euro dotierten "Kutxa – New Directors Award" konkurrieren. Neben Sarah Polley und Oren Moverman, die sich freilich auch Chancen auf einen Preis im Hauptwettbewerb ausrechnen dürfen, sind hier unter anderem auch Österreich mit Sebastian Meises Debüt "Stillleben" und Deutschland mit Jan Zabeils kontemplativem Film "Der Fluss war einst ein Mensch" vertreten. Während Meise von der Zerstörung einer Familie erzählt, steht im Mittelpunkt von Zabeils Debüt ein junger Mann, der sich in einem afrikanischen Land verliert.

Gewohnt lenkt San Sebastian seinen Blick aber auch auf das einheimische und das lateinamerikanische Filmschaffen. Einen Überblick über das aktuelle spanische Kino vermittelt die Reihe "Made in Spain", während die "Horizontes Latinos" 13 neue lateinamerikanische Produktionen, darunter auch den Locarno-Sieger "Abrir puertas y ventanas" zeigen.

Stets mehr als nur einen Blick wert sind in San Sebastian immer auch die Retrospektiven, wobei es jeweils eine thematische und eine für einen Regisseur gibt. Während sich die eine dem amerkanischen Film noir der letzten zwei Jahrzehnte widmet, mit Amy Canaan Manns "Texas Killing Fields" eröffnet wird und Coen-Filme wie "Fargo" oder "Miller´s Crossing" ebenso beinhaltet wie Christopher Nolans "Memento" oder Curtis Hansons "L.A. Confidential", steht die andere im Zeichen des 1990 verstorbenen französischen Regisseurs Jacques Demy.