Verkleidung - Fotografien von Ketuta Alexi-Meskhishvili

Ein offenes Frauen-Lächeln auf einer Blumenverpackung aus einer Drogerie, eine Silikon-Brustwarze von eBay, ein Fragment eines Flammenaufklebers auf einem Auto, eine Plastiktüte mit traditionellen georgischen Ornamenten aus byzantinischen Kirchen, einen Cocktailrührstab in Form einer Palme. Weder diese Auflistung der einzelnen Motive auf den fünf grossformatigen Drucken an der Rückwand der Kunsthalle Basel noch die Beschreibung, wie diese Bilder mittels Unschärfen, Überbelichtungen, Überlagerungen, Kratzern und zarten Transparenzen entstanden sind, erklären die eigenartige und fesselnde Qualität von Ketuta Alexi-Meskhishvilis Werk. Experimentelle Techniken und Farbexplosionen schaffen eine faszinierende Form von vielschichtiger, malerischer Sättigung, während sich die Bilder auf einem schmalen Grat zwischen Abstraktion und Figuration, zwischen der Repräsentation und der Essenz einer Sache bewegen.

Der in Georgien geborenen Fotografin ist es bewusst, dass Fotografie auf Grossflächen im öffentlichen Raum meist kommerziellen Zwecken dient – als Werbung für vieles: Gehe dorthin, begehre dies, konsumiere das. Somit stellte die mehr als dreissig Meter lange Rückwand der Kunsthalle Basel eine besondere Herausforderung für die Künstlerin dar und sie reagierte darauf, indem sie ihr Archiv der letzten Jahre durchforstete. Sie wählte fünf Bilder aus und liess diese auf perforiertes PVC drucken, wie es zur Verkleidung von Baugerüsten benutzt wird. Jedes der fünf Bilder scheint auf die Phänomene der schnellen Bild-Nachrichten, Memes und Emojis (Lächeln, Brustwarze, Flammen, Sonne, Palme) anzuspielen, um genau diese direkte, knappe Kommunikationsform infrage zu stellen.

Spezielle fotografische Strategien ermöglichen es der Künstlerin, den einfachen Alltagsgegenständen auf den Bildern eine besondere Art der durchlässigen und übersinnlichen Präsenz zu entlocken. Zum Arsenal ihrer Techniken gehört das Fotogramm (das in allen Bildern mit Ausnahme beim Flammen-Motiv zum Einsatz kommt). Solche Abbilder entstehen ohne Einsatz einer Kamera, indem Objekte in der Dunkelkammer direkt auf die Fotoemulsion eines Negativfilms gelegt und belichtet werden. Alexi-Meskhishvili verwendet zum Belichten mit Vorliebe kleine Lichter, die an Fingerspitzen befestigt werden und oft in Nachtklubs und bei Raves zum Einsatz kommen. Mit dieser Arbeitsweise gelingt es ihr, die Möglichkeiten der Übersetzungen zu erkunden, die entstehen, wenn ein indexikalisches Bild keine exakte Kopie mehr ist, sondern Zufälligkeiten auftreten und neuartige Abbilder entstehen. Kommt die Kamera ins Spiel (wie beim Flammen-Motiv), so verwendet sie in der Regel eine analoge Grossformatkamera – das langsame, schwere Gegenstück zur schnellen, leichten Digitalkamera im Taschenformat. Welche Methode die Künstlerin auch einsetzt, der schwarze Rahmen des Kodak-Negativfilms taucht regelmässig am Rand der Drucke auf, ebenso wie die Schnitte oder Kratzer einer Präzisionsklinge auf dem Negativ oder die Spuren der Klammern, die ein Negativ halten. Diese Elemente sind Bestandteile ihrer Bilder und verweigern sich sowohl den sorgfältigen Be- und Überarbeitungen, die zum Handwerk eines perfekten Fotoabzugs gehören, als auch der glatten und geschönten Ästhetik, welche kommerzielle Formate von der Fotografie abverlangen. Alexi-Meskhishvili fokussiert sich dagegen auf eine Konstellation, welche sowohl das Mysteriöse zum Ausdruck bringt und die Bildoberfläche in den Vordergrund rückt, als auch unsere Wahrnehmung herausfordert. Die Künstlerin vermittelt etwas, das schwer zu fassen und doch spektakulär ist. Etwas, das sie selbst als "jenseits von Sprache und Kategorisierungen, als etwas anderes als Information" beschreibt – in anderen Worten: "die Antithese einer eindeutigen Botschaft".

Ketuta Alexi-Meskhishvili wurde 1979 in Tbilissi geboren; sie lebt und arbeitet in Berlin.

Ketuta Alexi-Meskhishvili
Verkleidung
Bis 6. August 2023