Unterm Strich – von der Zeichnung und darüber hinaus

Der Verein Kunst Vorarlberg rückt in der Feldkircher Villa Claudia das Thema Zeichnung ins Zentrum. In Kooperation mit Female Art Market werden insgesamt fünfzehn Künstlerinnen präsentiert, in deren Werk die Zeichnung einen bestimmenden Stellenwert einnimmt.

Grundsätzlich kann eine Zeichnung vieles sein: Eine Bild-Erzählung, reduziert auf das Wesentliche, figurativ oder abstrakt. Manchmal steht sie auch für Dokumentation, dann wieder erscheint sie mikroskopisch oder überdimensional. Die Zeichnung kann desweiteren auch als Performance im Raum oder als Buch über ihre Grenzen gehen. Im Animationsfilm, auf dem Papier oder in der Verbindung mit anderen Medien erweitert sie den Blick.

Punktiert, schraffiert, linear, geschwungen mit oder ohne Farbe – Zeichnung ist Entäußerung unmittelbarer Befindlichkeiten.

In den fünf Räumen der Villa Claudia wechseln großflächige Installationen, die sich über einen ganzen Raum hinweg ausdehnen, mit filigranen, sensiblen Zeichengebilden ab, sowie mit Arbeiten, die den Weg in den Raum hinein wagen. Viele der Arbeiten wurden eigens für die Ausstellung geschaffen.

Die 1963 in Linz geborene Bildhauerin und Zeichnerin Judith P. Fischer zum Beispiel zeigt in der Ausstellung mit der Zeichnung „Coeur“ ein von Blutgefäßen durchströmtes menschliches Herz samt dem angeschlossenen Kreislauf, sowie außerdem die Zeichnung „Aderngeflecht“. Fischers Beitrag ist eine eindrückliche Darstellung unserer höchst komplizierten Organe und deren feinen Verbindungen, die uns Menschen am Leben erhalten.

Für die mit Spitz- und Stenografie-Federn aufs Papier gebrachten Tintenzeichnungen dienen der Hohenemser Künstlerin Gabriele Bösch Elemente und detailgenaue Beobachtungen aus der Natur als Grundlage. Daraus ergeben sich iterative Muster und Strukturen, die sich vom Kleinen ins Große übertragen lassen – und umgekehrt. Der Makrokosmos findet sich im Mikrokosmos wieder und alles hängt eindeutig zusammen. Formen in der Natur, die sich zu willkürlichen Zeichen abstrahieren lassen. Aus der Wiederholung entsteht eine Art Fließtext.

Die 1956 in Zürich geborene Künstlerin Gabrielle Grässle wiederum wartet mit fünf fast kindhaften Zeichnungen auf, die oft als Vorentwurf für ihre großformatigen Malereien dienen. Die Themen Grässles sind vielfältig, und die fast ungelenkt wirkenden Zeichnungen zeigen was ihr durch den Kopf geht, ohne Einschränkungen. Kindheitserinnerungen, Bilder aus Filmen, Bilder, die beim Lesen entstehen, Erinnerungen, Natur, Garten, Bilder aus der Zeitung, Mode, Models, Tiere.

Bei der in Nüziders lebenden und arbeitenden Künstlerin Amrei Wittwer, Jahrgang 1980, dient die Zeichnung als Schwelle zum Anderen, zu etwas Magischem. Artefakte mit Zeichnungen sind heute wie damals nicht nur Alltags-Gegenstände. Als kultische Objekte gehören sie zu magischen Gegenwelten. Amrei beruft sich nach archäologischen Recherchen auf prähistorische und historische Motive, um der Wirksamkeit der Zeichnung auf Keramik und Holz nachzuspüren.

Die zwölf Tierzeichnungen, die die in Feldkirch lebende dänische Künstlerin May-Britt Nyberg in Sgraffito-Technik in Acryl auf kleinformatigem Karton gefertigt hat, wirken sehr fragil und ähneln ein wenig auch Kinderzeichnungen. Nyberg fängt trotz der Einfachheit der Darstellung die tiefe und enge Beziehung des Menschen zum Tier in all ihrer Widersprüchlichkeit auf. Die Sgraffitos sind auch ein Spiel mit der Wahrnehmung: Tiere, vom Rentier bis zur Schildkröte, vom Hund bis zur Kuh, sind linear rein auf die Umrisse reduziert. Einfache formale Linien lösen bei der Betrachterschaft einen Schub von Assoziationen aus.

Die 1952 geborene und in Klaus domizilierte Malerin, Zeichnerin und Illustratorin Lisa Althaus ist in der Ausstellung mit drei Animationsfilmen sowie ein paar ausgewählten Elementen aus den Filmen als Originalzeichnung vertreten. Die Animationen sind keine Illustrationen sprachlicher Inhalte, sondern basieren vorwiegend auf vorhandenen Zeichnungen. In einer Art von freier Bildlogik werden ähnliche visuelle Elemente kombiniert und assoziativ verknüpft. So entsteht eine nonverbale, visuelle Bilderzählung, deren Interpretation dem Zuschauer überlassen bleibt.

Nicht weniger sehenswerte Werke stammen von Melanie Berlinger, Conni Blum Satler, Ursula Dorigo, Judith P Fischer, Gabrielle Grässle, Hilda Keemink, Bianca Lugmayr, Michaela Ortner Moosbrugger, Franziska Stiegholzer sowie Sophie Thelen Weinmann.

Unterm Strich – von der Zeichnung und darüber hinaus

Raum für aktuelle Kunst, Villa Claudia, Feldkirch
Eröffnung: Do 20.10. 2022, 19 Uhr
Einführung: Nadine Moser, Female Art Market
Musik: Amrei Wittwer
Ausstellungsdauer: 21.10.-13.11.2022
Fr 16-18 Uhr, Sa 15-18, So 10-12 u. 15-18