Thomas Schütte – Wattwanderung

Thomas Schütte zählt zu den bedeutenden Künstlern der Gegenwart, in deren Arbeiten sich Gesellschaftskritik, Ironie und selbstkritische Reflexion vereinen. Sein vielgestaltiges Werk umfasst Radierungen ebenso wie großformatige Stahlfiguren, Keramiken ebenso wie fantasievolle Architekturmodelle. Eine sehr ungewöhnliche Präsentationsform hat der 1954 in Oldenburg geborene Schütte für seine raumgreifende Arbeit "Wattwanderung" (2001) gewählt.

Die insgesamt 138 Radierungen werden an quer durch den Ausstellungsraum gespannten Leinen gezeigt. Durch das Wandern zwischen den Bildern entfaltet sich die sonst übliche passive Bildanschauung zu einer aktiven Bildaufnahme, bei der der Betrachter selbst Position zu beziehen hat. Zudem wird der Künstler in der Bel Etage des Ständehauses zwei neue Skulpturen erstmals vorstellen. Die bisher unbekannten großformatigen Arbeiten sind von Schütte zusätzlich zur Wattwanderung als "Überraschung" für das Publikum geplant.

Ein großer Teil der als eine Art Tagebuch verstandenen Bilder der "Wattwanderung", die durch die Auseinandersetzung mit den Terroranschlägen des 11. September 2001 auch einen politischen Aspekt erhalten, sind Portraits oder stellen Frauen und Blumen dar. Diese drei Themen ziehen sich seit vielen Jahren durch das Oeuvre von Thomas Schütte. Die "Wattwanderung" steht so in Verbindung mit Werken wie den Skulpturen "Bronzefrauen" und "Stahlfrauen", den "Mirror Drawings" (1998), den Aquarellportraits von "Luise" (1996), den "Fucking Flowers" (1996) oder den Radierungen "Silly Lilies" (1995). Dank dieser Motive tritt die Wattwanderung auch in Dialog mit der Installation "Ceramic Sketches" (1999) und den "Großen Geistern" (1998 und 1999), die sich ebenfalls im Besitz der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen befinden.

In der "Wattwanderung", nach dem Erwerb 2004 jetzt erstmals in der Kunstsammlung zu sehen, findet sich auch Schüttes Sinn für Wortspiele wieder: Viele der Radierungen sind mit Wörtern untermalt. So weist "Deep pression" gleichzeitig auf den Zustand einer Depression und auf die Technik des Tiefdrucks hin. Sowohl die Wahl der Technik als auch Anspielungen auf Albrecht Dürer (so das Blatt "Dürer’s Bethase") greifen das Thema der Vervielfältigung des Bildes auf und weisen, wie viele von Schüttes Werken, auf die Oberflächigkeit der Konsumgesellschaft hin.

Der Betrachter wird entlang der Leinen, die kreuz und quer durch die Bel Etage von K21 gespannt sind, zum Wandern durch Schüttes Welt oder Tagebuch eingeladen. Die unterschiedlichen Bilder und Wörter lösen bei ihm Assoziationen aus; Bilder aus der eigenen Welt werden wachgerufen. Das Werk regt an, darüber nachzudenken, wie wir die Wirklichkeit wahrnehmen.

Während seiner Ausbildung auf der Kunstakademie Düsseldorf (1973-1981) ist Schütte Schüler bei Gerhard Richter und Fritz Schwegler. Die Werke von Daniel Buren und Bruce Nauman beeindrucken ihn und er setzt sich mit der Kunst der 1960er und 1970er Jahre, die von der Konzeptkunst, dem Minimalismus und der Pop Art geprägt ist, auseinander. Schüttes Verbindung zum Raum wird schon in seinen ersten Werken deutlich; aus dieser Verbindung entstehen dann ab 1980 seine berühmten Architekturmodelle.

Schon 1989 greift er in der Installation The Laundry auf die Form der Präsentation an ausgespannten Leinen zurück. Bunte, mit Schrift bedruckte Tücher sind über eine Leine gespannt und die aufgedruckten Wörter werden so in zwei Teile geteilt. Aus "Sinking" ergibt sich dann "Sin King". Thomas Schütte lebt und arbeitet in Düsseldorf.

Thomas Schütte – Wattwanderung
16. Juni bis 9. September 2012