Thomas Demand. Nationalgalerie

Thomas Demand, einer der einflussreichsten und führenden Künstler unserer Zeit, wird in der Neuen Nationalgalerie Berlin ab 18. September 2009 eine umfassende Einzelausstellung zeigen. Es ist die bislang größte Präsentation seines Werkes in Deutschland, während ihm beispielsweise in London, New York und Zürich bereits umfängliche Ausstellungen gewidmet wurden. Die Ausstellung "Nationalgalerie" ist jedoch keine retrospektiv angelegte Überblicksschau, sondern widmet sich dezidiert einem Thema, vielleicht dem wichtigsten in Demands facettenreichem Werk: Deutschland.

Somit ist auch der Zeitpunkt dieser Ausstellung nicht zufällig gewählt, sondern fällt mit den Jubiläen zweier grundlegender historischer Ereignisse in der deutschen Geschichte zusammen: der Gründung der Bundesrepublik Deutschland vor 60 Jahren und dem Mauerfall vor 20 Jahren. Die gut 35 Arbeiten, darunter ganz neue und noch nie gezeigte Werke, beschäftigen sich mit gesellschaftlichen und geschichtlichen Ereignissen seit 1945 und deren unmittelbarer Vorgeschichte. Dabei nehmen die Bilder Demands aber nicht nur auf herausragende Momente Bezug. Neben einschneidenden politischen und gesellschaftlichen Begebenheiten und wichtigen, wiedererkennbaren Schauplätzen, finden auch Arbeiten in der Ausstellung ihren Ort, die das Private und Nebensächliche thematisieren, aber in gleichem Maße kaleidoskopischer Teil einer bestimmten Zeit und Gesellschaft sind und im Betrachter unmittelbare Assoziationen und Zuschreibungen auslösen mögen.

Thomas Demand ist kein Fotograf im klassischen Sinne, sondern ein Dokumentator unserer Medienwelten, ein Reproduzent und ein Illusionist. Die Fotografie ist das Medium, in dem seine Arbeiten erhalten bleiben und ausgestellt werden. Häufig dienen ihm Bildvorlagen aus den Massenmedien als Ausgangspunkt für die Rekonstruktion einer bestimmten räumlichen Situation, die dann wiederum mittels Großbildkamera und großer Sorgfalt zu einem zweidimensionalen Bild wird, bevor der Künstler die papierenen Skulpturen zerstört. In solch konzeptionellem Sinne arbeitet Thomas Demand also genauso skulptural wie fotografisch. Spezifische Spuren des abgebildeten Geschehens werden im dreidimensionalen, lebensgroßen Nachbau systematisch eliminiert, ebenso wie die auf den Ursprungsfotografien vorhandenen Menschen. Zurück bleiben Phantombilder von "Tatorten" abwesender Ereignisse, die uns genauso bekannt erscheinen, wie sie oft ungreifbar bleiben.

Auf diese Weise stellen die Arbeiten von Thomas Demand unser Rezeptionsverhalten gegenüber visuellen Medien auf den Prüfstand und untersuchen deren Einfluss auf die Strukturen unserer Erinnerung. Auf geradezu empirische Weise betreibt Thomas Demand bildwissenschaftliche Untersuchungen, in deren Zentrum die Frage danach steht, ob und in welcher Weise sich das Erscheinungsbild einer Gesellschaft in einzelnen Schlüsselbildern kondensiert und konzentriert und über solche Schlüsselbilder gespeichert und erinnert wird. Demands rekonstruktive Beschäftigung mit Bildern, die eine Bedeutung tragen oder zu tragen scheinen, kreist um die bewusst wie unbewusst betriebene Selbstdarstellung einer Gesellschaft und ihre Veränderungen. Kaum ein Ort könnte für eine Ausstellung, die uns ein Panorama einer nationenbezogenen Geschichte vor Augen führt, passender sein als die große Glashalle der Neuen Nationalgalerie Mies van der Rohes.

Denn hierbei handelt es sich nicht nur um eine Inkunabel der Nachkriegsarchitektur, sondern auch um ein Gebäude mit einer nicht minder großen historischen Bedeutung als Symbol des Selbstverständnisses der BRD an der ehemaligen innerstädtischen Grenze. Die herausragende Ausstellungsarchitektur des Londoner Büros Caruso St. John schafft eine ideale Verbindung zwischen Demands Werken und der lichten Halle Mies van der Rohes.


Thomas Demand. Nationalgalerie
18. September 09 bis 17. Januar 10