"Sturm"-Frauen. Künstlerinnen der Avantgarde in Berlin 1910–1932

"Der Sturm" war ein Signal zum Aufbruch in die Moderne. Ursprünglich 1910 als Zeitschrift zur Förderung der expressionistischen Kunst gegründet, wurde der Name "Sturm" schnell zum Markenzeichen: Der Herausgeber Herwarth Walden gründete neben der Zeitschrift 1912 die "Sturm"-Galerie in Berlin. Zahlreiche, auch internationale Künstlerinnen wurden dort erstmals in Deutschland präsentiert. Der "Sturm" war Programm, richtete sich gegen gedankliche Schranken, alles Etablierte und gegen die Bürgerlichkeit des Wilhelminismus, und er propagierte eine Freiheit der Künste und Stile. Als Netzwerk aus Freunden mit ähnlichen Interessen fand im "Sturm" ein intensiver und lebendiger Austausch über die Gedanken, Theorien und Konzepte der Avantgarde statt.

Die zusätzlich veranstalteten "Sturm"-Abende, die neu gegründete "Sturm"-Akademie, die "Sturm"-Bühne und -Buchhandlung sowie zeitweilig Bälle und ein eigenes Kabarett boten den "Sturm"-Künstlerinnen zahlreiche Plattformen und machten die vielfältigen künstlerischen Richtungen und Tendenzen im Berlin der 1910er- bis 1930er-Jahre einem großen Publikum zugänglich. Diesen "Sturm"-Frauen widmet die Schirn Kunsthalle Frankfurt ab dem 30. Oktober 2015 eine große umfassende Themenausstellung. Mit rund 280 Kunstwerken werden erstmalig insgesamt 18 "Sturm"-Künstlerinnen des Expressionismus, des Kubismus, des Futurismus, des Konstruktivismus und der Neuen Sachlichkeit umfassend vorgestellt. Das Ergebnis ist ein etwas anderer Überblick über die wichtigsten Kunstströmungen der Avantgarde im Berlin des frühen 20. Jahrhunderts. Zu den bekanntesten Künstlerinnen zählen Sonia Delaunay, Alexandra Exter, Natalja Gontscharowa, Else Lasker-Schüler, Gabriele Münter und Marianne von Werefkin. Hinzu kommen weitere Künstlerinnen, die heute in der Öffentlichkeit wenig präsent oder weitestgehend unbekannt sind, wie Marthe Donas, Jacoba van Heemskerck, Hilla von Rebay, Lavinia Schulz oder Maria Uhden.

Jede der 18 "Sturm"-Frauen wird in der Ausstellung in einem eigenen Raum mit ihren Hauptwerken präsentiert. Es sind jene Künstlerinnen aus Deutschland, den Niederlanden, aus Belgien, Frankreich, Schweden, der Ukraine oder Russland, deren Arbeiten in der "Sturm"-Galerie in Berlin ausgestellt oder/und in der "Sturm"-Zeitschrift veröffentlicht wurden. Der Schriftsteller und Komponist Herwarth Walden (1878−1941) stellte nicht nur Wassily Kandinsky, Paul Klee, Oskar Kokoschka und Marc Chagall, die Künstler des Blauen Reiter und die italienischen Futuristen aus, sondern förderte vorurteilslos, engagiert und strategisch weit über 30 Malerinnen und Bildhauerinnen. Er galt als Visionär und Vorkämpfer für die Abstraktion und die moderne Kunst überhaupt und einte mit seinen Programmen die internationale Avantgarde. Für viele Künstlerinnen war "Der Sturm" eine große Chance, waren sie doch zu Beginn des 20. Jahrhunderts weder vollends gesellschaftlich anerkannt, noch hatten sie uneingeschränkt Zugang zu einer akademischen Ausbildung, die der ihrer männlichen Kollegen gleichwertig gewesen wäre. Genauso unterschiedlich wie die Lebensläufe, die persönlichen Bedingungen und die Rezeption der 18 "Sturm"-Frauen sind auch ihre Werke, die sich stilistisch stark voneinander unterscheiden. In der Zusammenschau aber bilden sie ein beeindruckendes Panorama der modernen Kunst.

Die Schirn versammelt in der Ausstellung herausragende Leihgaben wie Gemälde und Arbeiten auf Papier, Grafiken, Holzschnitte, Bühnenbilder, Kostüme, Masken und historische Fotografien aus namenhaften Museen, Universitäts- und Privatsammlungen weltweit, u. a. aus dem Museum of Modern Art in New York, der University Art Gallery in Yale, dem Theatermuseum St. Petersburg, der Tate sowie dem Victoria & Albert Museum in London, dem Centre Pompidou in Paris, dem National Museum Belgrad, dem Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid, dem Moderna Museet in Stockholm, der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München, oder dem Von-der-Heydt-Museum in Wuppertal.


"Sturm"-Frauen
Künstlerinnen der Avantgarde in Berlin 1910–1932
30. Oktober 2015 bis 7. Februar 2016