Stefan Kruckenhauser - Paralellschwung

Wenn sich im Februar die österreichischen Schirennläufer bei den Winterspielen von Sotschi die olympische Abfahrt hinunterstürzen, werden auch in der Wiener Walfischgasse die Schneekanonen angeworfen. Die Leica Galerie Wien zeigt vom 13. Februar an Fotografien des Schi- und Leica-Pioniers Stefan Kruckenhauser (1905-1988), der mit seiner innovativen Schitechnik in den 1950er-Jahren den internationalen Alpinsport revolutionierte.

Nur schwer lässt sich entscheiden, in welcher seiner beiden Rollen – Fotograf oder Schi-Papst – Stefan Kruckenhauser einflussreicher war: Als Bildautor prägte er mit seinen Büchern – insbesondere dem Architekturbildband "Verborgene Schönheit" – den Stil einer ganzen Generation von Amateurfotografen und trug maßgeblich zur Popularisierung der Kleinbildfotografie in Österreich bei. Die Firma Leitz verlieh ihm schon 1955 die 700.000ste Leica für seine besonderen Leistungen auf dem Gebiet der Fotografie.

Als Schilehrer und Bewegungstheoretiker beeinflusste der "Vater des Wedelns" auch international den Fahrstil von Millionen von Wintersportlern – die amerikanische Zeitschrift Sports Illustrated verglich in den 1960er-Jahren Kruckenhausers Beitrag zur Entwicklung des Alpinsports mit dem Freuds zur Psychoanalyse. Tatsächlich hat Kruckenhauser seine beiden Leidenschaften zumeist so eng geführt wie seine Schier. Schon bei seinen frühen Fotobüchern „Du schöner Winter in Tirol“ und „Das Bergbild mit der Leica“ von 1937 und 1938, die mit spektakulären Alpin- und Schiaufnahmen glänzten, verband er seine Arbeit als Heim- und Kursleiter des Bundesschiheims St. Christoph am Arlberg mit der Fotografie.

Kruckenhausers Fotografien entstanden zumeist in Zusammenhang mit Publikationsprojekten und auch die Arbeiten der Ausstellung entstammen den Entwürfen für drei seiner Bücher. Beim 1956 erschienenen "Österreichischen Schilehrplan" zeichnete Kruckenhauser sowohl für die bewegungstheoretischen Erläuterungen, als auch für das Buchlayout und die fotografische Illustration verantwortlich. Insbesondere die Bewegungsstudien des Lehrbuchs, montiert aus vergrößerten Einzelbildern einer Filmkamera, kombinieren gestalterische Finesse und pädagogische Anschaulichkeit.

Für den Bildband "Verborgene Schönheit" durchstreifte Kruckenhauser in der Schneepause der Sommermonate die österreichische Kulturlandschaft und dokumentierte Schätze des heimischen Architekturerbes, vom Stift Melk bis zur ländlichen Hütte in Tirol. Die Fotografien seines Herzensprojekts – "Ich wollte dieses Buch! Ich griff zur Leica!" – verbinden die oft romantischen Sujets und Schauplätze mit einer sachlichen Bildästhetik.

Im Gegensatz zu den verstreuten Architekturansichten der "Verborgenen Schönheit" ist der Band "Ein Dorf wird" von 1952 ein zusammenhängender, narrativer Bildessay, der die Entstehung eines Modelldorfs in Vorarlberg von den ersten Plänen bis zum Einzug der Bewohner begleitet. Der Siedlungsbau wie auch das Buch wurden initiiert von dem Textilindustriellen Fritz Schindler, der einigen seiner langjährigen Angestellten den Baugrund in Kennelbach vor den Toren von Bregenz schenkte.

In den Fotografien der gemeinsam zupackenden Arbeiter und der lachenden Kinder, die schließlich in die weißverputzten Häuser hinterm Jägerzaun einziehen, verbildlicht sich das Ideal der Wiederaufbaujahre. Kruckenhauser verknüpft die Einzelaufnahmen zu einer eleganten Bilderzählung, die 2004 auch Martin Parr und Gerry Badger bei der Arbeit an ihrer Geschichte des Fotobuchs überzeugte: Als einzige österreichische Publikation wurde "Ein Dorf wird" in den ersten Band des Standardwerks aufgenommen.

Stefan Kruckenhauser - Paralellschwung
13. Februar bis 26. April 2014