Shakespeare-Hommage und DDR-Geschichte

Während "Barbara" unverkennbar ein Film von Christian Petzold ist, haben sich die Brüder Taviani mit "Cesare deve morire" weit von ihren Welterfolgen "Padre Padrone" und "La notte di San Lorenzo" entfernt. Hoffnungen auf einen Preis darf sich vor allem Petzold machen.

Mit grandiosen Landschaftstotalen und kontrastierender Musikmontage wurden die Brüder Taviani um 1980 zu Stars des Autorenkinos. Zu Filmen wie "Padre Padrone", "La notte di San Lorenzo" oder "Kaos" ist "Cesare deve morire" geradezu diametral entgegengesetzt. Im geschlossenen Raum des Hochsicherheitstrakts des römischen Gefängnisses Rebibbia spielt ein Großteil dieses Films, einen Himmel gibt es nie zu sehen.

Es beginnt in Farbe mit dem Finale einer Aufführung von Shakespeares "Julius Caesar". Nach dem begeisterten Schlussapplaus blenden die Tavianis sechs Monate zurück. In Schwarzweiß dokumentieren sie die Entstehung der Aufführung, mit der der Film wieder in Farbe enden und damit den Kreis zum Anfang schließen wird.

Der Bogen spannt sich von der Bekanntgabe des Stückes über erstes Vorsprechen, Besetzung der Rollen bis zu den Proben. Mit Inserts werden die Darsteller, die alle zu langjährigen Haftstrafen verurteilt sind kurz vorgestellt, ununterscheidbar bleibt in der Folge, was echtes Dokument und was nachträgliche Inszenierung ist.

Bewundernswert ist zweifellos wie schlüssig die Tavianis die mehrmonatigen Proben zu einem rund 75minütigen Film verdichtet haben, doch über die Dokumentation dieses Sozialprojekts sowie eine Hommage an Shakespeare im Speziellen und die Kunst, die den Menschen verwandeln, vielleicht sogar erst wirklich zum Menschen machen kann, kommt "Cesare deve morire" kaum hinaus. Zu selten ergeben sich Beziehungen zwischen dem Theatertext und der Biographie der Akteure, der Raum wird ganz Shakespeare überlassen.

Während die Tavianis sich mit ihrem Film auf ungewohntes Terrain begaben, setzt Christian Petzold mit "Barbara" konsequent sein bisheriges Werk fort. Wie bei allen seinen Filmen beruft er sich auch hier auf einen amerikanischen Filmklassiker als Inspirationsquelle. Vorbild für diese in der DDR des Jahres 1980 angesiedelte Geschichte einer Ärztin soll Howard Hawks` "To Have and Have Not" sein. Hier wie dort geht es um eine Flüchtlingsgeschichte, hier wie dort um Misstrauen.

Den Part von Lauren Bacall bei Hawks spielt bei Petzold – wie könnte es anders sein – Nina Hoss. Nachdem sie einen Ausreiseantrag stellte, wird sie in die Provinz versetzt. Dort plant sie weiter ihre Flucht zu dem im Westen lebenden Freund, muss aber stets Entdeckung durch die Stasi oder auch die Kollegen, die sie möglicherweise bespitzeln, fürchten.

So kühl wie Nina Hoss diese Ärztin spielt, inszeniert Petzold, verzichtet wie gewohnt auf Action, erzeugt aber durch ebenso knappe wie präzise Dialoge, durch die reduzierte, aber präzise Einbettung ins Milieu und die gewohnt ökonomische Inszenierung, in der jede Szene, jeder Satz und jeder Blick seine Funktion haben, die geisterhaft-gespenstische Stimmung eines Landes, in dem niemand sicher ist, sondern jeder jedem misstrauen muss.

Nicht nur inhaltlich, sondern auch formal wird dabei das Thema der Überwachung schon in der ersten Einstellung eingeführt und zieht sich konsequent durch den Film. Bis zum Ende bleibt offen, ob ein Kollege sich wirklich in Barbara verliebt oder sie nur aushören will.

Trotz der historischen Komponente ist "Barbara" aber – wie Hawks´ "To Have and Have Not" – ein universeller und zeitloser Film, kreist um Freiheit und Verantwortung, und um die Frage, was wichtiger ist. - Ein potentieller Kandidat für einen der Bären gibt es damit schon mal.