Selbstauslöser

In der Themenausstellung "Selbstauslöser" treten Arbeiten von KünstlerInnen aus vier Generationen miteinander in Dialog über eine alltagskulturelle und künstlerische Praxis, die aufgrund neuer Technologien regelmäßig wiederbelebt wird. Anhand von rund achtzig Arbeiten von 27 Kunstschaffenden aus der österreichischen Fotosammlung des Bundes im Zusammenspiel mit Werken "erweiterter" Fotografie von internationalen KünstlerInnen wird eine Geschichte der Fotografie mittels Selbst- oder Verschlussauslöser erzählt.

Tatsächlich öffnete sich mit der Erfindung der Fotografie für viele Kunstschaffenden des 20. und 21. Jahrhunderts ein neuer Handlungsraum. Der Selbstauslöser fungiert dabei als operatives und symbolisches Werkzeug des Aufbegehrens, das weniger dem Drang nach Selbstdarstellung als vielmehr dem Akt der bewussten Selbststilisierung dient. Die Praxis des Sich-selbst-Fotografierens steht in Wechselwirkung mit den technischen Entwicklungen.

Dies zeigt sich u. a. im in der Komposition aufscheinenden Auslösekabel, im digitalen Fernauslöser oder einfach in der ausgestreckten Hand. Zugleich Fotograf und Fotografierter zu sein, erfordert verschiedenartige Kontrollinstanzen. Der Blick in die Kamera schafft Distanz zu sich selbst, dient aber auch der Überprüfung des Selbst. Es entwickelt sich ein visuelles Verhältnis von Subjekt und Welt unter den gegebenen medialen Bedingungen. Wie an einigen Arbeiten zu sehen ist, geht die damit verbundene Veröffentlichung des Privaten mitunter auch mit einer Fiktionalisierung und schlussendlich mit künstlerischem Kontrollverlust einher.

Das Selbstporträt, das jahrhundertelang als kunsthistorische Kategorie galt, wurde in jüngster Zeit durch Social Media wie Facebook und Instagram zum omnipräsenten Phänomen der Populärkultur. Insofern denkt die Ausstellung die Verankerung des gegenwärtigen "Selfie-Hypes" in einer Geschichte der Kunst mit und lädt dazu ein, "sich selbst ein Bild" davon zu machen. Selfies mögen mit ihrer Ähnlichkeit zum Selbstporträt formal die Geschichte des fotografischen Selbstporträts fortschreiben. Anders als die unbewussten und intimen Momentaufnahmen aus dem aktuellen Medienphänomen und jugendkulturellen Hype, die in ihrer medialen Verbreitung zum fotografischen Kontrollverlust führen können, reflektieren die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten ihre eigene Medialität.

Das Foto ist Teil eines Kunstprozesses, bei dem sich die fotografischen Objekte in einer Umwandlung befinden; die Fotografie fungiert als Aufzeichnungsinstrument eines Erkenntnisprozesses. So wie in Valie Exports "Körperkonfigurationen" (1972–1982) wird der fotografische Akt zur performativen Geste der Einschreibung des eigenen Körpers in die Welt. Renate Bertlmann setzt die Kamera als Alter Ego ein; in den Serien "Verwandlungen" (1969) und" Renée ou René" (1977) spielt sie mit weiblichen und männlichen Rollenbildern.

Peter Weibel wird in "Selbstportrait als Frau" (1967) mithilfe von weiblichen Versatzstücken für die Dauer der Aufnahme zur Frau. In ihren Collagen betreibt Katrina Daschner eine Maskerade als Spiel mit sozialen Klischees und Anja Manfredi setzt in seriellen Studio-Shootings wie "Verbeugen & Applaus" (2006) den eigenen Körper als Zeichen in Szene. Das von der Künstlerin Dorit Margreiter konzipierte Ausstellungsdesign greift den in den gezeigten Arbeiten innewohnenden Einsatz von Intimität und Entblößung, Privatem und Öffentlichem, Verstecken und Behaupten, Blicken und Angeblicktwerden auf und bringt dabei den Paravent als Agent Provocateur ins Spiel.


Selbstauslöser
29. November 2014 bis 15. März 2015