Satirische Meisterwerke aus der Sammlung Grill

Seit über 40 Jahren sind Humor und Komische Kunst nach Art von Meisi und Helmut Grill die treibende Kraft für ihre Sammlung satirischer Kunstwerke. Die Ausstellung "Volltreffer! Satirische Meisterwerke der Sammlung Grill" beleuchtet einerseits das Münchner Umfeld und Vertreterinnen und Vertreter der Komischen Kunst, die dem Paar nahestehen.

Unverkennbar im Zeichenstrich sind Paul Floras getuschte tragikomische Traumwelten. Mit frechem Augenzwinkern zitiert Rudi Hurzlmeier in seinen Arbeiten Generationen von Meistern. Die eigens für Meisi und Helmut Grill angefertigten Werke zeugen von Loriots häufigen Besuchen bei den beiden. Die Vielfalt der satirischen Kunst verdeutlichen in der Ausstellung andererseits internationale Positionen. Saul Steinbergs teils nur mit einem Strich und scharfsinnigem Humor gemachten Arbeiten zeugen von dessen technischer Virtuosität. Mit Tomi Ungerers Bild eines Manns, der sich in ein riesiges Schneckenhaus zurückzieht, blickt man auf die Anfänge der Sammelleidenschaft von Meisi und Helmut Grill zurück. Aus dem Gruselkabinett Freud’scher Tiefenpsychologie vermögen Roland Topors gezeichnete Tagträume zu entstammen.

Die Erfolgsgeschichte von Meisi und Helmut Grill nimmt im sagenumwobenen Jahr 1968 mit der Gründung ihres extravaganten Kuriositätenladens Etcetera ihren Anfang. Bekannt war die von André Heller so bezeichnete Spezialitätenhandlung ersten Rangs nicht nur für ihre satirischen Objekte und patriotischen Bavaricas. Etcetera war auch beliebter Treffpunkt für Münchner_innen und jene, die es gerne werden wollten. Zwischen künstlerischem Porzellan und selbstverlegten Büchern gingen berühmte Gäste wie Uschi Glas, der ehemalige Bundespräsident Deutschlands Walter Scheel und Künstler_innen wie Loriot aus und ein. Nicht selten entstanden in diesen Runden neue Ideen für außergewöhnliche Produkte. Für Furore sorgte beispielsweise das Shirt mit Aufdruck "Ich bin gegen alles!", auf das der Stern aufmerksam wurde und eine kreative Reihe bestellte. Der Künstler Jean-Jacques Sempé erfand später das Shirt "Ich ertrage nur das Glück". Janosch steuerte "Fürchtet Euch nicht vor Meisi Grill!" und "Kommet zu mir" bei. Kultstatus haben auch die von Sis M. Koch und Paul Flora gestalteten Porzellane, Franziska Bileks bayerische Freiheitsstatue und Janoschs Puzzlebox mit fast vergessenen Miniaturspielen.

Der geschäftliche Umzug von Helmut Grills Werbeagentur in die Villa Stuck legte 1975 den Grundstein für die Galeristentätigkeit. Denn die Vermietung der historischen Räumlichkeiten war an eine Bedingung geknüpft: Als Haus der Kunst musste in der Villa Stuck ausgestellt werden.

Später übersiedelte die Galerie der Zeichner ins Etcetera zurück. In acht Jahren waren hier noch 17 Ausstellungen zu sehen. Sechs Jahre nach dem legendären 30. Etcetera-Jubiläum meinte Helmut Grill, "Meisi, jetzt ist Schluss!" Doch Schluss ist noch lange nicht, denn das wäre nicht die Art von Meisi und Helmut Grill – den wohl legendärsten Sammler_innen Münchens, die nicht nur die bayrische Landeshauptstadt zum Lächeln bringt.

Zeitungen, Zeitschriften und Verlage waren ab 1950 die bevorzugten Auftraggeber von Satiriker_innen. Während in Frankreich der Comicstrip als Begleitung der Publikationen fungierte, dominierte in Deutschland und Österreich das zunehmend farbige und großformatige Bild zum Text. Nicht zwangsläufig war der Inhalt politisch oder kritisch, sondern – je nach Veröffentlichung – auch gerne humoristisch. Als bedeutendste Verlegerstadt Europas zieht München permanent Künstler_innen an, die in der bayrischen Landeshauptstadt Erfolg haben. Damit floriert das Münchner Umfeld als Kreativzentrum wie kein anderes im deutschsprachigen Raum. Rudi Hurzlmeier setzte mit seinen Publikationen, etwa dem Titanic-Magazin oder dem Stern, und in Ausstellungen neue Maßstäbe. Er malt Tafelbilder wie im 19. Jahrhundert, nur eben mit einem kleinen oder größeren Scherz darauf. Gekonnt zitiert er Generationen von Meistern. Eine Hommage an Wilhelm Busch stellt sein Bild mit dem darauf befindlichen Spruch "Hans Huckebein und Fips, der Affe, vergreifen sich an Wein und Kaffee" dar.

Neben Hurzlmeier ragen Künstler_innen hervor, die im Stil der Barockmaler jenseits der akademischen Leistungsschau eine neue Art von Kunst und Humor generieren und bereits Eingang in Sammlungen und Museen gefunden haben. Hans Reisers feingepinselte, oft großformatige Tafelbilder auf Holz erzählen groteske Geschichten und antworten mit bissiger Kritik auf die Zeit. Sie entlarven Zeitgeist-Entgleisungen – speziell bayrische – mit liebevoller Hingabe und Ironie, die dem/ der Betrachter*in wieder ein Lachen ins Gesicht zaubern. Wie Satiriker_innen mit ihren Waffen des Spotts und des Witzes trifft auch seine Amazone auf bayrischem Satyr zielgenau. Für Etcetera malte Sis M. Koch ein Wetterbild, wie es noch nie eines gab. Vor der typisch bayrischen Landschaft platziert die Künstlerin malerisch der Renaissance anmutende und technisch perfide konstruierte Messinstrumente. Skurril wirkt der dazwischen platzierte Frosch und die neugierige Katze der Malerin.

Als roter Faden durch die Galerie der Zeichner und das Etcetera zieht sich der Meister der Schlagfertigkeit und der Skurrilität Vico von Bülow beziehungsweise besser unter seinem Pseudonym Loriot bekannt. Die Verbundenheit mit den Grills reicht in die Anfänge der Galeristentätigkeit in der Villa Stuck zurück. Erst später erfuhr das Ehepaar, dass das Universalgenie geschickt wurde, um über die Qualität der beiden als seriöse Galerist_innen zu urteilen. Gleichwohl Loriot (fast) nie ein Blatt verkaufte, fertigte er drei Zeichnungen, darunter eine fliegende Meisi, für das Ehepaar Grill an, die in der Ausstellung zu sehen sind. Reisen, auch mit Meisi und Helmut Grill, stimulierten Paul Flora für seine tragikomischen Welten. Das Münchner Ehepaar lernte den Künstler schon früh, im Jahr 1975, kennen. Seither war er einer ihrer engsten Vertrauten. Paul Flora war es auch, der die beiden dazu ermutigte, ausschließlich satirische Kunst der Gegenwart zu sammeln.

In Frankreich reiften in den 1960/70er-Jahren große Talente heran. Roland Topor, Enfant terrible und rares Multitalent, brachte seine Tagträume zu Papier, die aus dem Gruselkabinett Freud’scher Tiefenpsychologie zu stammen scheinen. Dem gebürtigen Franzosen Tomi Ungerer waren Grenzen in seinem zeichnerischen Schaffen fremd. In dessen "Meat the Peable" verschwindet beispielsweise ein Mann in einem überdimensional groß dargestellten Schneckenhaus. Besonders ist dieses Bild auch als eines der ersten Werke in der Sammlung Grill. Wiederum Ungerers erste Ausstellung in Deutschland arrangierten Meisi und Helmut Grill in der Villa Stuck.

Mit Blick über den atlantischen Ozean spürt die Ausstellung "Volltreffer!" einem der wichtigsten satirischen Zeichner der Geschichte nach: Saul Steinbergs Arbeiten erschienen fast sechs Jahrzehnte im Magazin The New Yorker. In seinem Experimentierdrang glich er Pablo Picasso. Oftmals erinnert sein Stil an die Art-Deco-Epoche und ist für Betrachter_innen stets eines – anspruchsvoll.

Komische Kunst verführt Menschen bewusst zum Lachen. Ihr Ziel der humorvollen Darstellung gipfelt in einer Pointe. Die formale Umsetzung spielt dabei keine Rolle. Inhalt sind Alltagssituationen, die – plötzlich in neuem Licht – absurd erscheinen. Janosch, der Geschichtenerzähler, Illustrator und Zeichner ist ein Meister der Komischen Kunst. Wie genau er hinsieht und wie locker er das Gesehene oder Erinnerte zu Blatt bringt, zeigt das Aquarell über Bleistift. Sein Stammtisch beispielsweise entstammt der Erinnerung von drei Landwirten beim Kartenspiel in Bayern – zu Papier gebracht auf Teneriffa.

Auf den ersten Blick banal erweisen sich Komische Darstellungen dann als tiefgründig und durchaus kontrastreich in der Deutung. So etwa bei Gerhard Gepp, der Wortspiele zeichnet oder Worte wörtlich nimmt und die Betrachter_innen so auf ihre tiefere Bedeutung aufmerksam macht. In der Reduktion der Szenen erhalten Kleinigkeiten bei Gerhard Glücks Zeichnungen ihr betontes Gewicht. Altmeisterlich detailversessen komponiert er Satiren mit einer finsteren Note, die sich allein schon durch die auftretenden Typen auszeichnen. Meist begegnet man langnasigen Glatzköpfen, Biedermännern in Alltagssituationen, die skurril gebrochen sind und in denen sie ihr kleines Glück oder eben ihr Unglück erleben.

Volltreffer!
Satirische Meisterwerke aus der Sammlung Grill
7. März bis 1. November 2021
Kuratoren: Gottfried Gusenbauer, künstlerischer Direktor Karikaturmuseum Krems, Helmut Grill