Sandro Botticelli im Frankfurter Städel

Vom 13. November 2009 bis 28. Februar 2010 präsentiert das Städel Museum die erste monografische Ausstellung zu Sandro Botticelli (1444/45–1510) im deutschsprachigen Raum. Ausgehend von seinem monumentalen Weiblichen Idealbildnis, einem der Hauptwerke der Sammlung des Städel Museums, zeigt die Ausstellung rund 500 Jahre nach Botticellis Todestag (17. Mai 1510) zahlreiche Werke aus allen Schaffensphasen des großen Meisters der italienischen Renaissance.

Zu Beginn der Ausstellung führen Porträts sowie allegorische Bildnisse vor Augen, wie differenziert der Maler diese hoch entwickelte Gattung zu nutzen und durch neue Impulse zu bereichern verstand. Im Mittelpunkt des zweiten Teils stehen Botticellis berühmte mythologische Darstellungen weiblicher Gottheiten und Tugendheldinnen, während sich das dritte Kapitel der Ausstellung schließlich dem reichen Bestand seiner religiösen Malerei widmet. Insgesamt präsentiert die Ausstellung mit über 40 Werken Botticellis und seiner Werkstatt eine umfassende Auswahl seines weltweit erhaltenen Werks. Weitere 40 Arbeiten, darunter Werke von Zeitgenossen wie Andrea del Verrocchio, Filippino Lippi oder Antonio del Pollaiuolo, stellen Botticellis kostbare Schöpfungen in den historischen Kontext ihrer Entstehung.

Sandro Botticelli ist zu einem Markenzeichen der italienischen Renaissance geworden. Die grazile Schönheit, elegante Anmut und der einzigartige Zauber seiner oft melancholischen Figurenschöpfungen machen Botticellis Werk zum Inbegriff der Florentiner Kunst im Goldenen Zeitalter der Medici-Herrschaft unter Lorenzo dem Prächtigen. Der zunächst zum Goldschmied und dann in der Werkstatt des Fra Filippo Lippi ausgebildete Sandro Botticelli zählte neben Verrocchio, Ghirlandaio und den Brüdern Pollaiuolo bald zu den erfolgreichsten Malern im Florenz der zweiten Hälfte des Quattrocento. Seit dem Jahr 1470 sicherte er sich prestigeträchtige öffentliche Aufträge und etablierte sich als Maler großer Altarbilder. Zeitlebens stand Botticelli in der Gunst der regierenden Medici und ihrer Gefolgsleute. Bei der Umsetzung ihrer Wünsche nach innovativem Bildschmuck konnte sich der Meister nicht nur auf seine Kenntnis der Florentiner Bildtraditionen und der antiken Kunst, sondern auch auf konkrete Anregungen und Konzepte aus dem Kreis der um Lorenzo de’ Medici versammelten Humanisten stützen.

Als Tafel- und Freskenmaler gleichermaßen geschätzt, genoss Botticelli höchstes Ansehen über die Grenzen seiner Heimatstadt hinaus und zählte deshalb zum Kreis der Maler, die Papst Sixtus IV. 1481 zur Ausstattung der Sixtinischen Kapelle nach Rom bestellte. Vor allem sein viel diskutiertes Spätwerk bringt die charakteristischen Merkmale seines eigenwilligen Stils zu extremer Entfaltung. Von der Zeichenkunst geleitet – eine hochkarätige Auswahl vorbereitender Zeichnungen ist in der Ausstellung vertreten – folgt Botticelli der Vorliebe, seine Figurendarstellungen scharf konturiert, stark bewegt und gestenreich in Szene zu setzen und dabei mehr in Linien- und Flächengefügen denn in Raum und Volumen zu komponieren. Seine Malerei setzt sich auf diese Weise schon in frühen Jahren deutlich von der Konkurrenz und den aktuellen theoretischen Forderungen ab. Das ist einer der Gründe, weshalb die kunsthistorische Forschung, die Botticelli seit Anfang des 20. Jahrhunderts eine Vielzahl großer Monografien und Werkstudien gewidmet hat, dem Künstler stets eine Sonderposition zuweist.

Ausgangspunkt und Zentrum der gattungsübergreifenden Ausstellung ist ein nicht nur in Frankfurt weithin bekanntes Hauptwerk aus der Sammlung des Städel Museums: das Idealbildnis einer jungen Dame, die wahrscheinlich mit Simonetta Vespucci, der geliebten Turnierdame von Lorenzos Bruder Giuliano de’ Medici, zu identifizieren ist. Es geht in diesem Bildnis nicht so sehr um ein lebensnahes Konterfei der Dargestellten als vielmehr um das auch in der zeitgenössischen Poesie reflektierte Ideal einer Frau, die sich durch vollkommene Schönheit und ebenso vollkommene Tugendhaftigkeit auszeichnet. Ein solches Ideal definiert sich nicht zuletzt durch die Auseinandersetzung mit der Antike: So trägt die Schöne ein Schmuckstück um den Hals, das offensichtlich auf eine antike Gemme mit der Darstellung von Apoll und Marsyas zurückgeht, die gleichfalls in der Ausstellung zu sehen sein wird. Botticellis berühmtes Bildnis des Giuliano aus der National Gallery of Art in Washington wird in Frankfurt dem Porträt seiner geliebten Simonetta gegenübergestellt. Die beiden Gemälde stehen im Zentrum des ersten Teils der Ausstellung, welcher der Bildniskunst Botticellis gewidmet ist und an prominenten Beispielen das Wechselspiel von sozialer Norm und künstlerischer Form sowie die unterschiedlichen Gattungskonventionen des männlichen und des weiblichen Porträts vor Augen führt.

Das zweite Kapitel der Ausstellung handelt von den mythologischen Bildern Botticellis, die zu den originärsten Schöpfungen des Künstlers zählen. Die Uffizien in Florenz, welche die umfangreichste und wichtigste Botticelli-Sammlung weltweit bewahren, unterstützen die Frankfurter Ausstellung unter anderem mit einem ihrer populärsten Hauptwerke: der berühmten Minerva mit dem Kentaur, einem der monumentalen mythologischen Gemälde, das im Kontext der mediceischen Selbstdarstellung steht. Gemeinsam mit Botticellis Primavera hing es einst im Schlafgemach eines Florentiner Stadtpalastes der Bankiersfamilie. Minerva bändigt hier mit ihrer Weisheit und Tugend den wilden Kentauren, der sich seinen Leidenschaften hingibt. Die Beherrschung und Kultivierung der Affekte ist ein zentrales Thema in der Philosophie der Antike und – in Verschmelzung mit christlichem Gedankengut – auch der Renaissance; solche Themen fanden unter den Malern in Botticelli ihren kongenialen Interpreten. Dabei sind die politische Dimension und der Bezug zur Auftraggeberfamilie symbolisch in Gestalt der ineinander verschlungenen Diamantringe auf dem Gewand der Minerva präsent, die zu den Emblemen der Medici zählen. Eine weitere große Frauengestalt im Werk des Florentiner Künstlers ist die Venus. In seiner lebensgroßen Venus aus der Berliner Gemäldegalerie wiederholte Botticelli die zentrale Figur aus der (nicht leihfähigen) Geburt der Venus in den Uffizien, die er aber aus dem szenischen Kontext isolierte und auf schwarzen Grund setzte. Damit schuf er eine der ersten monumentalen Aktdarstellungen in der nachantiken Malerei.

Der dritte Teil der Ausstellung widmet sich schließlich den religiösen Bildern Botticellis. Neben den Bildnissen und den Mythologien sind es vor allem die Madonnen, denen Botticelli bis heute seinen Ruhm verdankt. Nach theologischer Vorstellung ist Maria die ideale Frau unter den Heiligen: die tugendhafteste und zugleich schönste, die Braut des Hoheliedes. Neben vielen anderen Werken, die von den frühesten Arbeiten unter dem Einfluss seines Lehrers Fra Filippo Lippi bis zum Spätstil reichen, zeigt die Frankfurter Ausstellung eine der schönsten Madonnen Botticellis: Maria, das Kind anbetend. Bei dem Gemälde aus der National Gallery of Scotland in Edinburgh, dessen brillante Farbigkeit erst vor einigen Jahren durch eine Restaurierung wieder freigelegt worden ist, folgt die Physiognomie der Madonna demselben weiblichen Idealtypus, den der Maler für Idealbildnisse und antike Göttinnen entwickelt hat.

Des Weiteren umfasst das Kapitel erzählende Bilder, darunter ein abgenommenes Fresko mit der Verkündigung, das sich einst in der Vorhalle des Hospitals von San Martino alla Scala in Florenz befand und heute in den Uffizien aufbewahrt wird. Nicht nur die gewaltige Größe des Freskos (243 x 550 cm), sondern auch seine malerische Qualität bezeugt Botticellis herausragende Bedeutung im Medium der Wandmalerei. Einen Schluss- und zugleich Höhepunkt der Ausstellung bilden vier Tafeln mit Szenen aus dem Leben des hl. Zenobius, eines frühen Bischofs und Stadtpatrons von Florenz. Auf Museen in London, Dresden und New York verteilt, können sie in Frankfurt erstmals wieder zusammengeführt werden. Zu den wichtigsten Schöpfungen seines Spätwerks und seinen letzten Arbeiten überhaupt zählend, stellen sie eine Art künstlerisches Vermächtnis Botticellis dar.

Katalog: Zur Ausstellung erscheint im Hatje Cantz Verlag ein umfangreicher, von Andreas Schumacher herausgegebener Katalog. Mit einem Vorwort von Max Hollein und Texten von Cristina Acidini, Gabriel Dette, Bastian Eclercy, Hans Körner, Lorenza Melli, Ulrich Rehm, Volker Reinhardt, Anna Rühl und Andreas Schumacher. Deutsche und englische Ausgabe, 39,90 Euro (Museumsausgabe)

Botticelli
13. November 2009 bis 28. Februar 2010