Seit mehr als 40 Jahren inszeniert die in Feldkirch geborene Medienkünstlerin Ruth Schnell hybride Raumerfahrungen, die das Verhältnis von Wahrnehmung und Wirklichkeitskonstruktion erforschen. Die Bezugnahme auf gesellschafts- und weltpolitische Fragestellungen ist tief in ihre künstlerische Herangehensweise eingeschrieben. Ihre vielfach ausgezeichneten Arbeiten werden international ausgestellt. 1995 vertrat sie Österreich bei der 46. Biennale von Venedig. Schnell lehrte ab 1987 als Dozentin für "Digitale Kunst" für an der Universität für angewandte Kunst Wien, an der sie 2009 habilitierte. Von 2011 bis 2023 leitete sie als Universitätsprofessorin die Abteilung "Digitale Kunst", die ursprünglich 1988 von Peter Weibel als "Institut Visuelle Mediengestaltung“ gegründet wurde.
Die Ausstellung "All targets defined" (Alle Ziele definiert) im Baumschlager-Eberle-Gebäude 2226 im Lustenauer Millennium Park präsentiert neun Installationen und Wandarbeiten. Diese sind in den beiden Ausstellungsräumen thematisch gruppiert.
Die im großen Eingangsraum versammelten Werke eröffnen Räume der Reflexion zu einem Themenkomplex, der das Schaffen von Ruth Schnell als Motiv und inhaltlicher Strang schon länger begleitet: Wissenschaften, Technologieentwicklung und ihre Dienstbarmachung für militärische Zwecke. Das Problem des "Dual Use" seziert etwa die Mixed-Reality-Installation "COMBATscience Augmented II" (2022). Die Arbeit ist zunächst einmal unsichtbar: Nur mithilfe eines Mixed-Reality-Headsets entfalten sich die visuellen Szenen und dreidimensionalen Schriftbilder inmitten der anderen Exponate. Sie zeugen vom schmalen Grat zwischen Forschung als Gestaltungsraum für einen Fortschritt der Menschheit und dem Einsatz der Erkenntnisse zur Entwicklung verheerender Waffensysteme. Mit Sichtbarmachen und dem Verbergen von Raum und Information spielt auch die Installation "Lavender" (2024). Hier sind es zwei konvex/konkave venezianische Spiegel, die Raum herstellen, verfremden und bei Annäherung die enthaltene Information preisgeben. "Lavender" steht dabei nicht nur für die Pflanze, sondern auch für ein gleichnamiges, KI-gestütztes System, das vor allem in der ersten Phase des Gaza-Kriegs 2023 von der israelischen Armee eingesetzt wurde. Die Betrachtenden werden als Spiegelbilder selbst Teil der Installation.
Auch im zweiten Raum ist eine Installation mit Spiegeln zentrales Element. Die fünf gewölbten Spiegel von "Duck and Cover" sind frei gehängt, scheinen zu schweben. Sie sind auf den konvexen Seiten mit prägnanten, zusammenfassenden Headlines beschriftet, während die konkaven Seiten kurze Statements zu Aspekten der Klimakrise und zum menschlichen Umgang mit den Folgen des eigenen Handelns enthalten. In dieser und den weiteren Arbeiten des Raumes wird die drohende Katastrophe manifest, als Herausforderung der Gegenwart, als Auslöser von Verdrängungsmechanismen in den wachstumsdominierten Staaten der Welt, als eine Ursache von Migrationsbewegungen in den am meisten betroffenen Regionen. Migration und Menschenrechte vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Lebensbedingungen im Globalen Süden sind Thema von "Flood". Die in Zusammenarbeit mit Martin Kusch entstandene dynamische Projektion wurde für die Fassade der Alten Dogana in Feldkirch konzipiert und im Rahmen des Spotlight Festivals 2022 erstmals aufgeführt. Weitere erweiterte Versionen wurden für die Lichtstadt Feldkirch 2023 und die Eröffnung der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl/Salzkammergut 2024 erarbeitet. In Lustenau ist eine Version für Monitor zu sehen.
Zwei jeweils in den Sichtachsen positionierte Objekte mit Leuchtstäben verdichten und kommentieren die jeweiligen Raumthemen. "MotU #10" und "MotU #11" enttarnen Realitätswahrnehmung als subjektive Erfahrung.
Ruth Schnell: All targets defined
Ab 29. Juni 2024 bis September 2024
Ausstellungseröffnung am Freitag, den 28. Juni 2024 um 18:00 Uhr geöffnet Montag bis Freitag jeweils 9:00 – 17:00 Uhr