Rosetsu – Fantastische Bilderwelten aus Japan

Japans berühmtester Tiger – und mit ihm ein ganzer Tempel – kommt für acht Wochen exklusiv nach Zürich zu Besuch: diesen monumentalen Tiger und sein Pendant, einen Drachen, soll der japanische Künstler Nagasawa Rosetsu (1754–1799) in einer einzigen Nacht im Jahr 1786 auf die Türpaneele des Zen-Tempels Muryōji gemalt haben. Die eindrucksvollen Wandmalereien des Tempels und weitere atemberaubende Meisterwerke von Rosetsu sind nun zum ersten Mal ausserhalb Japans zu sehen. Rosetsu malte Bilder voller Dynamik und Humor mit virtuosen Pinselstrichen oder mit blossen Fingern, aber auch zarte, elegante Kompositionen mit feinem Pinsel und leuchtenden Farbpigmenten.

Nagasawa Rosetsu, der als einen der innovativsten und exzentrischen der frühen Moderne Japans geschätzt ist, realisierte im Laufe seiner kurzen Karriere zahlreiche Gemälde, die aufgrund ihres visionären Charakters unvergesslich bleiben. Die originellen, höchst eigenwilligen und visuell faszinierenden Werke Rosetsus entziehen sich jeglicher Klassifizierung. Er war in der Lage, gleichzeitig unterschiedliche Maltechniken auf verschiedensten Formaten auszuführen und seinen Malstil während der eher kurzen Karriere häufig zu wechseln. Die Ausstellung «Rosetsu – Fantastische Bilderwelten aus Japan» gewährt einen Einblick in das faszinierende Werk dieses unkonventionellen Künstlers.

Die Werkauswahl bietet einen Überblick seiner beliebtesten Motive und der gesamten Bandbreite seines stilistischen und formalen Repertoires. Die Bilder, mal äusserst naturgetreu und mal überraschend modern und nahezu abstrakt, beleuchten seine sagenumwobene Lebensgeschichte und seine Verbindung zum Zen-Buddhismus. Sie führen uns auf eine Reise auf Rosetsus Spuren durch das vormoderne, bisher kaum bekannte Japan, das unserer Zeit dennoch erstaunlich nah steht.

Die Ausstellung im Museum Rietberg umfasst rund 60 Werke aus zahlreichen Tempeln und renommierten Museen in Japan, Deutschland und den USA. Eine grosse Zahl der Exponate ist als «Wichtige Kulturgüter» oder «Wichtige Kunstwerke» registriert. Neben farbig und detailreich gemalten Blumen-und-Vögel-Bildern und Porträts vornehmer Damen im Hänge- oder Querrollenformat werden panoramaartige Malereien auf Paneelen und Stellschirme mit Darstellungen von fantastischen Landschaften, kauzigen Weisen sowie niedlichen Kindern und Tieren zu sehen sein.

Durch Rosetsus unkonventionelle Bildanordnung und schwungvollen Pinselstrich erfahren althergebrachte Motive der ostasiatischen Malerei eine frische Interpretation, die die Betrachter stets aufs Neue überrascht, amüsiert und bezaubert. Rosetsu war, wenn er mit blossen Fingern oder struppigem Pinsel arbeitete, ein ungestümer, exzentrischer Künstler. Wenn er aber Hündchen, Affen oder Kinder malte, setzte er die Tusche mit feinem Pinsel präzis und mit Liebe zum Detail aufs Papier.Rosetsu hat uns in seinem kurzen Leben, er starb im Alter von 45, ein vielfältiges, atemberaubendes Werk hinterlassen. Erstmals ist es in einer umfassenden Schau ausserhalb Japans zu sehen.

Im Zentrum der Ausstellung stehen die 48 bemalten Paneele – darunter Tiger und Drache – und Hängerollen, die Rosetsu im Jahr 1786 für das Abtquartier des Muryōji, eines Zen-Tempels in Kushimoto (Präfektur Wakayama) gefertigt hat. Bisher waren sie in ihrer Gesamtheit noch nie anderswo zu sehen. In Zürich werden sie in einer Rekonstruktion des originalen Tempelgebäudes inszeniert, die den Betrachtern das einmalige Erlebnis ermöglicht, die Malerei in ihrem ursprünglichen architektonischen Kontext zu geniessen.

Den Wandgemälden des Muryōji-Tempels werden zahlreiche prominente Werke beigefügt: Malereien auf Stellschirmen, Hänge- und Querrollen, Album und Fächer, die Rosetsus produktive und abwechslungsreiche Karriere eindrücklich illustrieren. Rosetsus einzigartiger Humor und seine avantgardistischen Kompositionen zeigen uns einen anderen, bislang unbekannten Aspekt der japanischen Malerei im Besonderen und der japanischen Kultur des 18. Jahrhunderts im Allgemeinen. Aus konservatorischen Gründen dauert die Ausstellung zwei Monate. Einige Exponate werden nach vier Wochen ausgewechselt.

Der aus einer Samurai-Familie stammende Rosetsu erregte bereits zu Lebzeiten mit seiner ungezügelten Persönlichkeit und seinem aussergewöhnlichen Talent Aufsehen in den Kunstkreisen der kaiserlichen Hauptstadt Kyoto sowie der umgebenden Regionen im Westen Japans. Lange Zeit als einer der talentiertesten Schüler des einflussreichen Malers in Kyoto des 18. Jahrhunderts Maruyama Ōkyo (1733–1795) anerkannt, ist Rosetsus Name seit einigen Dekaden eng verbunden mit der «Genealogie der Exzentriker», zu denen ältere Zeitgenossen wie Itō Jakuchū und Soga Shōhaku zählen.


Zur Ausstellung erscheint im Verlag Prestel ein Katalog in deutscher und englischer Fassung, mit wissenschaftlichen Essays und Texten zu allen Exponaten und farbigen Illustrationen von allen Objekten. Der Katalog präsentiert den neuesten Stand der Forschung und ist die erste, umfassendste Publikation über Nagasawa Rosetsu in westlichen Sprachen.

Rosetsu – Fantastische Bilderwelten aus Japan
6. September bis 4. November 2018