Rohstoff Öl im Kunsthaus Bregenz

Die kuwaitische Künstlerin Monira Al Qadiri präsentiert mit "Mutant Passages" ihre erste institutionelle Einzelausstellung. Für das Kunsthaus Bregenz schuf sie eine Reihe neuer Werke, die auf unterschiedliche Weise auf den Rohstoff Öl Bezug nehmen.

Im Foyer werden große, über den Köpfen schwebende, aufblasbare Skulpturen präsentiert. Sie sind mit schillernden, bunten Stoffen überzogen. Die Arbeit "Benzene Float" bezieht sich auf wissenschaftliche Darstellungen der Molekularstruktur von Benzol, Propangas, Naphthalin und anderen petrochemischen Substanzen (in der Fachterminologie bezeichnet man sie als "space-filling models", also als raumfüllende Modelle). Die übergroße Dimension der Arbeiten hebt die Präsenz der Substanzen in der modernen Gesellschaft hervor und konfrontiert uns mit ihrem Einfluss auf unser aller Leben.

Im ersten Obergeschoss werden mehrere großformatige, schimmernde Skulpturen, die leise im Raum rotieren gezeigt. Die Beschaffenheit ihrer Oberflächen erinnert an bioluminiszierende Meereslebewesen oder an Außerirdische. Tatsächlich handelt es sich um industrielle Objekte, um Bohrköpfe, die zur Erdölgewinnung eingesetzt werden. Der spezielle Farbschimmer der Skulpturen spielt auf die frühere Perlenindustrie im Persischen Golf an. Nach der Entdeckung von Erdölvorkommen in der Region kam diese fast vollständig zum Erliegen. In Farbe und Form schlägt die Arbeit "Choreography of Alien Technology" eine Brücke zwischen Perlen und Erdöl und verweist so ausdrucksvoll auf die historische Leerstelle, die das Öl hinterlassen hat. Letztlich wird die schillernde Farbe selbst zum Träger des Reichtums – zu einem Träger, der von Perlen zu Öl und möglicherweise zu einem anderen zukünftigen Wesen übergeht.

Im zweiten Obergeschoss finden sich zwei gespiegelte rötliche Skulpturen. Die beiden Schneckengehäuse stehen dicht an dicht und kommunizieren miteinander. Beide weisen an der unteren Hälfte der Schale eine Öffnung auf. Die Besucher:innen sind eingeladen, das Ohr an den Hohlraum zu halten. Statt Meeresrauschen ist ein Gespräch zwischen zwei androgynen Stimmen zu hören, die sich daran erinnern, wie sie auf dem Grund des Ozeans lagen und plötzlich ihre Geschlechter wechselten. Gastromancer veranschaulicht die unsichtbaren Auswirkungen der Ölindustrie auf das Leben im Meer. Der rötliche Biozid-Farbstoff Tributylzinn, bekannt als TBT, schützt Öltanker vor Algen, Seepocken und Muscheln (und kommt in einem Verfahren zum Einsatz, das als "Antifouling" bezeichnet wird). Durch die unmittelbare Abgabe ins Wasser verursacht TBT jedoch auch bizarre Veränderungen in der Natur. Eine TBT-Kontamination kann beispielsweise dazu führen, dass weibliche Purpurschnecken männliche Geschlechtsmerkmale entwickeln. Dies beeinträchtigt ihre Laichfähigkeit und führt nicht selten zum Aussterben ganzer Schneckenpopulationen.

Im dritten Obergeschoss liegen Vögel aus massivem Glas über einen weißen Boden verteilt. Während des Golfkriegs in Kuwait (1990–91) bedeckten immer wieder Kadaver von Vögeln, Fischen und anderen Tieren die Küsten und Wüstenregionen des Landes – eine Folge der gigantischen Giftwolken, die damals aus hunderten in Brand gesetzten Ölquellen aufstiegen. Es ist bis heute eine der schlimmsten vom Menschen verursachten Umweltkatastrophen. Und dennoch, als sich Bilder der ölverschmierten Tiere im Ausland verbreiteten, hielten viele Menschen sie für eine Fälschung. Monira Al Qadiri wurde während ihres Studiums in Japan mit den ikonischen Fotos von ölverschmierten Vögeln aus den Kriegsjahren konfrontiert. In einem ihrer Hochschulseminare tat man sie als Propaganda ab. Obwohl sie selbst Zeugin der Zerstörung geworden war, wurde das Erlebte in Frage gestellt, die Erinnerungen daran verzerrt. Onus ist der Versuch der Künstlerin, ihren tatsächlichen Erfahrungen neues Leben einzuhauchen. Sie bildet die Vögel als Glasobjekte nach, um die von ihr erlebte Vernichtung greifbar zu machen. Aber auch, um die Fragilität des menschlichen Erinnerungsvermögens zu thematisieren – angesichts von Bildern, die über Raum, Zeit und Kulturen hinweg Verbreitung finden. Onus verkörpert die Last und Pflicht der Künstlerin, die erlittenen Verluste zu beweisen.

Monira Al Qadiri bespielt die KUB Billboards mit sechs Fotografien. Schimmernde Oberflächen, perlenartige Objekte und farbenprächtige Formen laden zum Rätseln und Träumen ein. Tatsächlich handelt es sich um Nahaufnahmen von verschiedenen Arbeiten Al Qadiris, darunter eine Serie von Bohrköpfen nachempfundenen Skulpturen. Die Werke sind mit einem speziellen Lack überzogen, der an Ölschlieren oder Perlen erinnert und je nach Lichteinfall in unterschiedlichen Farben schillert.

Die KUB Billboards an der Bregenzer Seestraße, der meist frequentierten Straße der Stadt, sind fester Bestandteil im Programm des Kunsthaus Bregenz. Sie erweitern die jeweilige KUB Ausstellung in den öffentlichen Raum.

Monira Al Qadiri (geboren 1983, Senegal) ist in Kuwait aufgewachsen. Al Qadiri lebt und arbeitet in Berlin.

Monira Al Qadiri
Mutant Passages
22. April bis 2. Juli 2023

Eröffnung
Freitag, 21. April 2023, 19 Uhr