Rigoletto-Nachlese

Fast hätten es die Bregenzer Festspiele geschafft, keine der 28 Aufführungen am See absagen oder ins Haus übersiedeln zu müssen, wäre die allerletzte nicht ins Wasser gefallen. Aber trotzdem unglaublich, bei diesem verregneten Sommer! Die drei Spiele an den Tagen zuvor hätten allerdings vom Wetter her nicht schöner sein können. Erfolgreiche Bilanz: 190.853 BesucherInnen. Darf Oper Spektakel sein? Ja, durchaus! Da sitzen eben nicht 7.000 Opernliebhaber an einem Abend auf der Tribüne, der Großteil davon wird mit diesem Kulturprogramm nämlich sonst nicht erreicht. Also darf festgestellt werden, solche hochqualitativen Opernproduktionen stellen breite und wertvolle Kulturvermittlung dar.

Rigoletto von Giuseppe Verdi – da sind einige sehr bekannte Arien wie "la donna é mobile ..." dabei und man kann froh sein, wenn der Sitznachbar/die –nachbarin nicht mitsummt (mitunter passiert das!). Im Grunde ist auch das Ausdruck von Begeisterung. Und begeisternd-spektakulär ist schon das Bühnenbild: Die große Kunst, Emotionen über Distanz zu spielen. Auf die Technik der akustischen Übertragung von SängerInnen, Wiener Symphoniker im Festspielhaus unter Koordination des Dirigenten Daniel Cohen muss man nicht weiter eingehen, diese hat im letzten Jahrzehnt eine erstaunliche High-Fidelity erreicht, aber auf das Bühnenbild. Der überdimensionale Kopf des Narren meint am Anfang noch überlegener Teil des übermütigen Treibens zu sein, öffnet seinen Mund als Nest für die Verführungen des Herzogs von Mantua, beobachtet genau das Geschehen, um dann nicht nur traurige Figur zu werden, sondern auch zahnlos, seine Augen kullern auf dem See herum. Er hat nichts gecheckt, Rigoletto ist für den Mord an seiner geliebten Tochter Gilda verantwortlich. Es bleibt nichts als ein entsetzter Totenkopf. Der Clown, der da seinen Kopf aus dem Wasser streckt, hat Hände – damit stimmen die Proportionen und man kann sich den monströsen Körper in den Bodensee getaucht vorstellen. Die eine hält den Ballon ganz fest, und doch entkommt er ihm, wenn sich seine behütete (eigentlich weggesperrte) Tochter verliebt und „caro nome ...“ aus lichter Höhen singt, im Finale jedoch für immer verloren ist und entschwebt. Die andere Hand wird mal zur räumlichen, mal zur emotionalen Hülle. Faszinierend wie die Dramatik der Handlung durch Gesichtsmimik und Handgestik aufgezoomt wird und die ruhigeren Duette mit Spannung aufladen.

Aber das ist bereits Vergangenheit, denn kaum ist der letzte Vorhang gefallen, fiel bereits der Startschuss zum Abbau der Bühne. Der schwierigste Brocken dabei ist gemäss dem Technikchef Wolfgang Urstadt der Clownskopf, der im September Stück für Stück abgetragen werde. Und bereits im November sollen die Pilotierungsarbeiten für das nächste Bühnenbild beginnen. Und da darf man durchaus schon jetzt neugierig sein, was nächstes Jahr bei „Madame Butterfly“ geboten wird, wenn Pinkerton mit dem Schiff aus Amerika im japanischen Hafen anlegt ...
Dass auch schon das übernächste Spiel auf dem See verraten wird, ist neu. "Der Freischütz" – bestimmt auch bestens geeignet für die fantasievolle künstlerische Umsetzung durch die Bregenzer Festspiele.