In seinem berühmten Text "Stranger in the Village" verarbeitete der US-amerikanische Schriftsteller James Baldwin seine von Rassismus durchzogene Erfahrung in der Schweiz der 1950er-Jahre. Baldwins Worte sind bis heute Inspiration für viele Kunstschaffende. Sie halten uns als Gesellschaft einen Spiegel vor und haben nichts von ihrer Brisanz verloren.
Die Gruppenausstellung thematisiert Zugehörigkeit und Ausgrenzung anhand aktueller Werke von Kunstschaffenden aus der Schweiz und der internationalen Szene. Sie stellt Fragen, die uns alle angehen. Ausgangspunkt der Ausstellung ist der gleichnamige Text des weltberühmten US-amerikanischen Schriftstellers James Baldwin (1924-1937). Anfang der 1950er-Jahre hält sich Baldwin für einige Monate im Schweizer Bergdorf Leukerbad im Wallis auf. Als er sich dorthin zum Schreiben seines Romandebüts zurückzieht, empfangen ihn die Einwohnerinnen und Einwohner mit "Erstaunen, Neugier, Belustigung oder auch Empörung". Er wird als "lebendes Wunder" betrachtet und mit dem "N-Wort" bezeichnet. Baldwin stellt fest, dass es immer noch Regionen auf dieser Welt gibt, in denen eine Schwarze Person als eine Entdeckung gilt. Diese Erfahrung verarbeitet er in seinem Essay "Stranger in the Village", der 1953 im Harper’s Magazine erscheint. Darin analysiert Baldwin den Alltagsrassismus im Bergdorf, um schliesslich zu weiterreichenden Reflexionen über die Thematik in seinem Heimatland, den Vereinigten Staaten, auszuholen. Sein Text ist ein Aufruf, sich bestehender Machtverhältnisse und diskriminierender Vorurteile sowie deren zerstörerischen Auswirkungen bewusst zu werden.
Wie reagiert man heute in der Schweiz auf Baldwins Worte? In einer Zeit, in der soziale und strukturelle Ungerechtigkeiten stärker wahrgenommen werden, möchte das Aargauer Kunsthaus Rassismus auch mit Mitteln der Kunst thematisieren. Die Ausstellung vereint zahlreiche Kunstwerke von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis heute. Sie verfolgt einen interdisziplinären, kollaborativen und kaleidoskopischen Ansatz. Gleich zu Beginn der Ausstellung begegnet uns die Stimme von James Baldwin in der Verfilmung "Stranger in the Village" von Pierre Koralnik (*1937) aus dem Jahr 1962. Zitate aus dem Essay dienen als Leitfaden und gliedern die Ausstellung in verschiedene Kapitel. Darin werden Werke von zeitgenössischen Kunstschaffenden in dialogischen Ensembles präsentiert und treten so miteinander in Verbindung.
Eigens für die Ausstellung schaffen Omar Ba (*1977, Genf und Dakar) und Sasha Huber (*1975, Finnland, Schweiz und Haiti) neue Werke. Ebenso sind Werke von in der Schweiz arbeitenden Kunstschaffenden wie James Bantone, Denise Bertschi und Ceylan Öztrük sowie international bekannten Kunstschaffenden wie Kader Attia, Marlene Dumas, Glenn Ligon und Carrie Mae Weems zu sehen. Unter den rund vierzig für die Ausstellung versammelten Kunstschaffenden gibt es auch neue Namen kennenzulernen oder wiederzuentdecken, wie den US-Amerikaner Vincent O. Carter oder den Kongolesen Andrè M'Bon, die beide jahrzehntelang in der Schweiz künstlerisch tätig waren.
James Baldwin (New York 1924-1987 Saint-Paul-de-Vence) ist einer der bedeutendsten US-amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, der weit über die Grenzen der Vereinigten Staaten hinaus bekannt wurde. Er ist eine Ikone der Gleichberechtigung aller Menschen.
Stranger in the Village
Rassismus im Spiegel von James Baldwin
3. September 2023 bis 7. Jänner 2024