Qualm und Rauch

Als sich Sir Walter Raleigh– Seefahrer, Dichter und Günstling von Königin Elisabeth I. – in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lässig eine Pfeife ansteckt und das herbe Aroma des Tabaks im Mund schmeckt, kreiert er einen Trend. Er macht das Rauchen salonfähig. Zeitsprung. April 2008. Das neue Rauchergesetz. Verschämte und Beklemmte treiben sich in Ecken rum, inhalieren ihre Zigaretten und ernten böse Blicke. Raucher sind wie neue Outlaws. Ein Gesetz teilt die Gesellschaft. Mit dem Abziehen des Rauches, kommt ein alter Diskurs: Egal ob geschnupft, gekaut oder geraucht - seit Beginn seiner Verbreitung sorgt Tabak für geteilte Meinungen. Und damit für den zündenden Stoff aus dem Karikaturistenträume gemacht sind.

Die Tabakpflanze kam mit der Entdeckung Amerikas 1492 durch die spanischen Eroberer nach Europa. Zuerst in botanischen Gärten als Zierpflanze angebaut, wurde Tabak als medizinisches Heilmittel verwendet und in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als Genussmittel entdeckt. Die Kulturgeschichte des Tabaks ist reichhaltig belegt. So geben kunsthandwerkliche Gebrauchs- und Alltagsgegenstände, schriftliche Zeugnisse und Bildwerke umfassend Auskunft über den Konsum von Tabak. Ob gekaut, geraucht oder geschnupft – die Geschichte des Tabakkonsums ist eine abwechslungsreiche, bis heute geprägt von gesellschaftlichen Konventionen, Diskussionen um Missbrauch und Schädlichkeit sowie Verboten und Einschränkungen. Die gesellschaftliche Akzeptanz war einem steten Wandel unterworfen, in Abhängigkeit von politischen und sozialen Entwicklungen.

Gerade in diesem Zusammenhang ist es spannend und aufschlussreich, auch die Karikatur in die kulturhistorischen Betrachtungen mit einzubeziehen. In der Karikatur wird der Tabak bzw. der Tabakkonsum in seinen unterschiedlichen Ausformungen sowohl als direktes Thema aufgegriffen als auch eingesetzt, um Aussagen zu illustrieren und auf den Punkt zu bringen. Die Karikatur arbeitet mit der Ironie. Wie im einführenden Zitat von Werner Hofmann angemerkt, blickt der Karikaturist unter die Oberfläche der Welt und hinter die Kulissen. Im Narrenkleid und unter dem Deckmantel des Humors versucht er Missstände bloßzulegen und aufzudecken, Widersprüche zu enthüllen. Die Karikatur gibt damit nicht nur kulturelle Wertvorstellungen, gesellschaftliche Normen und politische Gegebenheiten einer Gesellschaft und ihrer Zeit wieder, sondern ermöglicht darüber hinaus ungewöhnliche Einblicke und vielleicht auch neue Erkenntnisse.

Wie vielschichtig und differenziert Karikatur Realität abbildet und reflektiert, zeigt ein Blick auf das aktuelle Karikaturschaffen zum Thema Tabak und Tabakkonsum. Die derzeitige Diskussion ist geprägt von EU-weiten Maßnahmen zum Nichtraucherschutz. Rauchverbote in öffentlichen Räumen und Gaststätten werden ebenso diskutiert wie gesundheitliche Risiken, Passivrauchen, Werbeverbote, Jugendschutz und volkswirtschaftliche Folgen des Rauchens. Die Debatten laufen zum Teil sehr kontrovers und sehr emotional zwischen den Fronten der RaucherInnen und NichtraucherInnen. Das alles findet auch seinen Niederschlag in der zeitgenössischen Karikatur. Sie deckt Einseitigkeiten in der Auseinandersetzung auf, lokalisiert das Konfliktpotenzial, thematisiert Ausgrenzung und Einschränkungen der persönlichen Freiheit und die gesellschaftliche Akzeptanz von Rauchverboten. Es reicht bis hin zu Konsequenzen im persönlichen Leben, zur Vorstellung von einer Welt ohne Rauch und der Idee von eigenen Reservaten für Raucher und Raucherinnen.

Nicht zuletzt aufgrund der Aktualität des Themas präsentiert das Karikaturmuseum Krems vom 15. November 2009 bis 7. April 2010 in Zusammenarbeit mit der Sammlung JTI/ Austria Tabak eine umfassende Ausstellung zum Thema Tabak in der Karikatur. Im Rahmen dieser Ausstellung werden ca. 160 Werke, großteils aus der Sammlung JTI/ Austria Tabak, aber auch aus den Beständen des Wilhelm-Busch-Museums Hannover, aus dem Karikaturmuseum Krems/ Sammlung des Landes Niederösterreich und aus Privatbesitz präsentiert. Vertreten sind Künstler wie William Hogarth, Honoré Daumier, Wilhelm Busch, Fritz Schönpflug, Edward Sorel, Rudi Klein, Manfred Deix, Tex Rubinowitz, Gerhard Haderer, Achim Greser & Heribert Lenz und viele andere.

Der inhaltliche Bogen der Ausstellung spannt sich vom 17. Jahrhundert, als erste satirische Flugschriften die unterschiedlichen Formen des Tabakkonsums kommentierten, bis hin zur aktuellen Raucher-/ Nichtraucherdebatte. Dabei geben historische Werke einen Überblick über die gesellschaftliche Rolle und die Entwicklung des Tabakkonsums in Europa. Thematisiert werden im historischen Kontext die unterschiedlichsten Formen des Konsums (Schnupfen, Kauen, Rauchen), die Schädlichkeit übermäßigen Gebrauchs, gesellschaftliche Konventionen, die mit Tabakkonsum in Verbindung gebracht werden, aber auch die Emanzipation der Frau im Zusammenhang mit Tabak.


Katalog: Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Residenz Verlag im Umfang von 96 Seiten mit Abbildungen zum Preis von EUR 16,90.

Tabak in der Karikatur

15. November 2009 bis 7. April 2010