Protest/Architektur - Barrikaden, Camps, Sekundenkleber

Noch bis 25. August präsentiert das MAK ein gemeinsames Projekt mit dem Deutschen Architekturmuseums (DAM) in Frankfurt am Main zu den räumlichen Aspekten von Protestkulturen. Im Zentrum stehen politische Bewegungen, die sich im öffentlichen Raum geäußert und spezifische Architektur- oder Designobjekte hervorgebracht haben. Vom Körpereinsatz der Protestierenden bis hin zu Protestcamps – es ist ein ambivalentes, oft utopisches und mitunter risikoreiches Spektrum der Protestarchitektur, das die Recherche zur Ausstellung zutage brachte: von den Barrikadenkämpfen während der Julirevolution 1830 in Paris bis hinauf ins Heute.

"Proteste müssen stören, sonst wären sie wirkungslos. Wenn Protestbewegungen in den öffentlichen Raum ausgreifen und sich dort fortsetzen, wenn sie ihn blockieren, schützen und erobern, dann entsteht Protestarchitektur", beschreiben Oliver Elser, Projektleiter und Kurator, DAM, und Sebastian Hackenschmidt, Kurator, MAK, die bauliche und räumliche Perspektive von Protest. Eine Vielzahl von Modellen und Fotos sowie eine eigens für die Ausstellung entstandene 16-minütige Filminstallation des Regisseurs Oliver Hardt zeichnen Protestereignisse in ihrer jeweiligen Einzigartigkeit nach. Eine Original-Hängebrücke aus dem Hambacher Wald, eine über fünf Meter hohe "Tensegrity"-Struktur aus Wien und die Spitze eines "Monopods" aus Frankfurt zeigen die überraschend ingenieurhaftarchitektonischen Aspekte von Protestbauten.

Den Schwerpunkt der Ausstellung bilden 13 Protestereignisse zwischen 1968 und 2023 aus Ägypten, Brasilien, Deutschland, Hongkong, Indien, Österreich, Spanien, der Ukraine und den USA. Dort entstanden jeweils Protestcamps von unterschiedlicher Dauer und mit sehr verschieden ausgeführten baulichen Strukturen: In Madrid wurde 2011 ein Platz mitten im Stadtzentrum mit Plastikplanen überdeckt, in Hongkong und bei "Occupy Wall Street" in New York entstanden Zeltstädte, in Delhi dauerte eine Autobahnblockade mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen, die zu Häusern umgebaut waren, ganze 16 Monate, und in Österreich besetzte die "LobauBleibt!"-Bewegung von 2021 bis 2022 über acht Monate verschiedene strategisch wichtige Orte und errichtete mehrere Protestcamps.

Einige dieser Protestbewegungen konnten ihre Ziele erreichen, wie beispielsweise den Sturz der Regierung zu erzwingen (Tahrir-Platz-Proteste im "Arabischen Frühling", Kairo, 2011 / Majdan-Bewegung, Kyjiw, 2013–2014), den Bau von Sozialwohnungen voranzubringen (MTST-Bewegung, Brasilien, seit 1997) oder einen Braunkohletagebau einzudämmen (Hambacher-WaldBesetzung, seit 2012). Die Architektur spielte für das Erreichen der Protestziele oft eine wesentliche Rolle. Der Majdan in Kyjiw, Ukraine, wurde während der zweieinhalbmonatigen, oft brutalen Auseinandersetzungen immer mehr zu einer Festung ausgebaut. Die brasilianischen MTST-Protestcamps hingegen sind filigrane Konstruktionen und können durch präzise Vorausplanung von Tausenden Wohnungslosen innerhalb von nur einer einzigen Nacht aufgebaut werden. Vor allem die 13 Case Studies demonstrieren, dass in unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Kontexten aus begrenzten Ressourcen experimentelle Bauten für ungewöhnliche Gemeinschaften auf Zeit entstehen können. Faszinierend ist in allen Fällen die Energie, Leidenschaft und Risikobereitschaft der Protestierenden.

Die Einbauten, Möbel und Gitterwände der Ausstellung stammen größtenteils aus vorhandenen Ausstellungsmaterialien des MAK. Das entspricht einerseits einem Prinzip der Protestarchitektur, wonach alles günstig und spontan verfügbar sein muss. Andererseits war es den Kuratoren wichtig, nachhaltig zu arbeiten, und im Ergebnis nicht "zu protestig" zu sein.

Protest/Architektur
Barrikaden, Camps, Sekundenkleber
Bis 25. August 2024