Die Arbeit der finnischen Künstlerin Pilvi Takala basiert auf sozialen Interaktionen und den Strukturen unseres täglichen Lebens. Die meisten ihrer Werke nehmen als subtile performative Störungen und soziale Experimente im halböffentlichen Raum ihren Anfang.
Für "The Trainee" (2008) arbeitete sie undercover als Auszubildende im internationalen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte, um im Arbeitsumfeld geltende Normen und Erwartungen zu hinterfragen. Für "Bag Lady" (2006) trug sie beim Besuch eines Einkaufszentrums eine durchsichtige Plastiktüte voller Bargeld mit sich, um bestehende Kontrollmechanismen offenzulegen. In ihren Installationen und Videos dokumentiert und verarbeitet Takala ihre Erfahrungen innerhalb verschiedener sozialer und ethischer Verhaltenssysteme und deckt dabei die zusammenhängenden Phänomene von Macht und Kontrolle auf.
"Close Watch" (2022) ist eine Mehrkanal-Videoinstallation, welche die Arbeitsweisen und Kontrollmechanismen privater Sicherheitsdienste hinterfragt. Im Vorfeld absolvierte Takala eine Schulung zur Sicherheitsfachkraft beim Unternehmen Securitas und arbeitete im Anschluss daran sechs Monate lang als Securitas-Angestellte in einem der grössten Einkaufszentren Finnlands. In dieser Zeit beobachtete sie die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Arbeit im Sicherheitsdienst und deren problematische Strukturen. Am Ende ihrer Anstellungszeit führte sie mit Kolleg:innen Interviews und organisierte einen Workshop, um diese Themen zu beleuchten und zur Diskussion zu stellen.
Im gefilmten Workshop spielen Takala und fünf ihrer vormaligen Kolleg:innen sowie drei Schauspieler:innen Szenen ihres Arbeitsalltags nach. Sie verwenden dabei das vom brasilianischen Bühnenautor Augusto Boal entwickelte partizipative Verfahren des Forumtheaters, das den Blick auf Machtdynamiken und soziale Ungerechtigkeit richtet. So erproben die Teilnehmenden alternative Strategien des Einschreitens in Situationen mit übermässigem Gewalteinsatz, rassistischer Sprache oder übergriffigem Verhalten. Innerhalb dieses performativen Prozesses reflektieren sie ihre Rolle und ihre Verantwortung als Sicherheitskräfte, die Macht ausüben, um Ordnung zu wahren.
Die Installation trennt den Ausstellungsraum in zwei, durch einen Einwegspiegel verbundene Räume, und regt damit die Reflexion über das Verhältnis zwischen Sicherheit und Überwachung an. Wir übernehmen dabei, je nachdem auf welcher Seite des Spiegels wir uns befinden, die Rolle der Beobachteten oder der Beobachtenden. Zum einen werden wir mit der Tatsache konfrontiert, dass wir oft eng überwacht werden; zum anderen werden wir in die Position der Beobachtenden versetzt, die den Sicherheitskräften dabei zuschauen, wie sie im Workshop über ihr Rollenverständnis und ihre Arbeitskultur sprechen. Weitere Videos zeigen Textnachrichten, welche Gespräche zwischen Takala und verschiedenen Akteur:innen des Projekts wiedergeben. Das Werk legt die internen Mechanismen der Sicherheitsbranche offen und stellt die Frage in den Raum, ob und wie wir in Zukunft überwacht werden wollen.
Pilvi Takala wurde 1981 in Helsinki, Finnland geboren. Sie lebt und arbeitet in Helsinki und Berlin. Ihre Arbeit wurde unter anderem im MoMA PS1, im New Museum, im Palais de Tokyo, in der Kunsthalle Basel und an der Manifesta 11 ausgestellt. "Close Watch" entstand im Auftrag von Frame Contemporary Art Finland und wurde von Saastamoinen Foundation und Frame für die 59. Biennale von Venedig koproduziert.
Pilvi Takala
Close Watch
10. Juni bis 17. September 2023