Pierre Bonnard – Magier der Farbe

Der bei der Pariser Weltausstellung 1889 eingeweihte Eiffelturm symbolisiert auch das künstlerische Debüt des französischen Malers und Graphikers Pierre Bonnard (1867-1947). Als der 22 Jahre alte Jurastudent im Schatten des neuen Bauwerks eine Ausstellung mit Werken von Gauguin und seinen Kameraden aus Pont-Aven sieht, schlägt er sich auf die Seite der modernen Kunst.

Ob in den USA oder in Japan, in Australien, in der Schweiz oder in seinem Heimatland: Bonnard-Ausstellungen gelten stets als etwas Besonderes und hinterlassen langanhaltende Eindrücke. In Deutschland ist Bonnard trotz verschiedener Ausstellungen (zuletzt 1994 in München) noch immer ein Geheimtipp für die Liebhaber einer ebenso qualitätvollen und raffinierten wie farblich überbordenden Malerei.

Das Von der Heydt-Museum Wuppertal widmet diesem "Magier der Farbe" jetzt eine große Ausstellung, die alle Phasen seines reichen Schaffens umfasst. In 12 Sälen blättern wir mit mehr als 180 Gemälden, Zeichnungen, Graphiken und Photographien Bonnards umfangreiches Œuvre auf. Die Ausstellung hat ganz den Charakter einer Retrospektive. Sie zeigt die Stationen seines Werdegangs, folgt jedoch vor allem seinen Motiven und Themenkreisen in einer entsprechenden Hängung. Darüber hinaus vermittelt sie eine Vorstellung von Bonnards vielfältigen Beziehungen zu anderen Künstlern. Sie zieht Verbindungslinien zum Werk von bedeutenden Vorbildern, Künstlerfreunden und wahlverwandten Künstlern seiner Zeit.

Der Ausstellungsparcours setzt ein mit Werken großer Vorgänger, seinem Interesse an der zeitgenössischen Amateurfotografie, an japanischen Farbholzschnitten und am sogenannten Japonismus. Dabei spielt Bonnards Mitgliedschaft in der Künstlergruppe der Nabis, die nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten für die Kunst sucht, eine Rolle. Erste thematische Schwerpunkte der Schau sind Bonnards Darstellungen von Frauen und Kindern sowie Straßenszenen. Als Beobachter des Kommens und Gehens auf den großen Boulevards und Plätzen von Paris erlangt er Berühmtheit.

Gefolgt werden diese von Landschaftsdarstellungen aus der Normandie. Hier kauft er 1911 ein Haus an der Seine, ganz in der Nähe von Giverny, wo er regelmäßig Monet besucht. Mit Monet teilt er das Interesse an der Natur, doch findet Bonnard seine Motive auch in Innenräumen: Szenen bei Tisch und durch das Fenster ins Freie gestatten ihm, seinen photographisch-japonistischen Blick mit der Leidenschaft für leuchtende Farben zu kombinieren und zwei Sphären, Innen- und Aussenwelt, zum Thema zu machen.

Zeit seines Lebens beschäftigt sich Bonnard mit dem weiblichen Akt. Er dekliniert Momente der Intimität und erzielt gleichzeitig perspektivisch irritierende Einblicke in Bad und Boudoir. Weitere Themen findet er an Stränden und Häfen der Küsten des Kanals bei Deauville, des Atlantiks bei Arcachon und des Mittelmeers bei Saint-Tropez und Cannes. 1926 läßt er sich schließlich in Le Cannet bei Cannes nieder, wo ihn die üppige Vegetation des Hinterlands begeistert.

Die letzte Sequenz der Ausstellung zeigt, daß Bonnard, wie kaum ein anderer Maler seiner Zeit, an der Gegenständlichkeit festhält, aber die Grenzen zur Abstraktion auslotet – mit Farbkonstellationen, die die Leinwand geradezu zum Glühen bringen. Bonnard besetzt bei aller persönlichen Bescheidenheit eine herausragende Position in der Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nur so ist zu verstehen, dass Matisse auf die Frage, ob Bonnard ein großer Maler sei, 1947 umstandslos mit Ja antwortet: "... für die Gegenwart und ganz gewiss auch für die Zukunft."

Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog mit Texten international renommierter Autoren (25 euro), sowie ein Film, der in Zusammenarbeit mit dem ZDF gedreht wurde und als DVD erhältlich ist (15 euro).

Pierre Bonnard – Magier der Farbe
14. September 2010 bis 30. Januar 2011