Pauline Julier - A Single Universe

Die Ausstellung der Künstlerin und Filmemacherin Pauline Julier ist eine intergalaktische Tour durch die geologischen Zeitalter der Erde bis ins Weltall. Der Besuch eines 300 Millionen Jahre alten Wald in China ebenso wie ein Gebirge auf dem Mars. In immersiven Videoinstallationen verknüpft Julier wissenschaftliche Erkenntnisse mit Ritualen und Mythen und lädt dazu ein, einen Blick mit der Welt zu teilen und nicht auf sie zu werfen.

Ein kleiner roter Ball wird immer grösser und endet schliesslich in einem bläulichen Lichtblitz von hypnotisierender Schönheit. Es ist die Explosion eines Riesensterns in Zeitlupe. Die raumgreifende Videoarbeit "Supernova" (2023) ist für Pauline Julier eine Metapher für eine Katastrophe, die sich ganz langsam entwickelt. Die Arbeit steht am Anfang der Ausstellung und setzt den Ton für den Rundgang: Wissenschaft und Poesie sind keine Gegensätze. Leben und Tod liegen nah beieinander. Zerstörung kann auch ein Neubeginn bedeuten. Alles ist miteinander verbunden.

Die Ausstellung "A Single Universe" lädt dazu ein, mit allen Sinnen in die Welt von Pauline Julier einzutauchen: Hier kann man über eine Leiter in eine Holzskulptur hinaufsteigen, dort sich vor einer Videoarbeit hinlegen, um die Perspektive zu wechseln. Die multimedialen Arbeiten der Künstlerin nehmen uns mit auf eine Reise, in der sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auflösen. Zeitweise verlieren wir gar die Orientierung. Doch die Verwirrung ist gewollt. Sie lässt uns über wichtige Fragen nachdenken: Wie weit sind wir Menschen bereit, die Ressourcen unseres und weiterer Planeten auszubeuten? Wie können wir auf die Komplexität des Klimawandels und den begonnenen Ökozid reagieren? Wie stellen wir uns eine wünschenswerte Zukunft vor?

Die Künstlerin jongliert frei mit Jahrmillionen und Planeten: Vom Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 nach Christus bis zur amerikanischen Cassini-Mission zum Saturn im Jahr 2017 führt sie uns mit Lichtgeschwindigkeit durch die Galaxie. Nach einem unfreiwilligen Zwischenstopp am Flughafen von Doha im Jahr 2010 machen wir uns auf den Weg nach China. Dort wurde vor einigen Jahren eines der ältesten vulkanischen Fossile aus der Zeit vor 300 Millionen Jahren entdeckt. Aus einer künstlerischen Perspektive vermischt Julier Naturkatastrophen mit den Paradigmenwechseln des Anthropozäns - dieses neue Zeitalter, in dem der Einfluss menschlicher Aktivitäten auf das System Erde bedeutend geworden ist.

Die umfassende Einzelausstellung zeigt Arbeiten Juliers aus zwei ihren grossen Rechercheprojekten. "Naturalis Historia" (2017-2019) ist eine Werkreihe, die unsere Wahrnehmung von "Landschaft" hinterfragt: Wie können wir die Natur betrachten, wenn man "nur das sieht, was man zu sehen gelernt hat", wenn der Blick darauf ein Konstrukt der jeweiligen Epoche oder Kultur ist? "Occupy Mars" (seit 2022) - der Titel ist der SpaceX-Mission von Elon Musk entlehnt - hebt den Blick ins Universum und untersucht den Roten Planeten als Spiegel der Erde. Mit monumentalen Filminstallationen wie "Follow the Water" (2023) stellt diese Werkreihe hochaktuelle Fragen nach der Ausbeutung von Ressourcen, dem Eskapismus und der Weltraumkolonisierung. Daraus stammt auch der Ausstellungstitel "A Single Universe", eine Aussage der Aktivistin Karen Luza von den indigenen Atacamenos in Chile: "Man muss die Erde als Körper sehen, als menschlichen Körper. Ich habe tausende Venen und tausende Arterien, aber ich kann nicht nur mit Venen und mit Arterien leben, sie kommunizieren miteinander. (...) Es gibt ein Sprichwort, das lautet: 'Wie oben, so unten. Wie aussen, so innen.' Und so, ein einziges Universum."

Pauline Julier bedient sich in ihren Werken verschiedener Medien und Techniken der Film- und Bildprojektion: Diapositive, 16-mm-Filme, Monitore, kleinere Projektionen und auch solche in Kinogrösse. Viele der Arbeiten werden von eindringlichen Soundscapes begleitet. Eine begehbare Hütte aus Holz und eine Nachbildung des ältesten Baumstamms der Schweiz aus Keramik setzen installative und skulpturale Akzente. Menschen treten mit Maschinen in einen Dialog, unbelebte Objekte mit belebten, Fabeln mit Wissen, Vergangenheit mit Zukunft. Die Poesie des Alltäglichen trifft auf Philosophie, Astrophysik, Biologie, Anthropologie und Neurowissenschaften. Indigene Stimmen mischen sich mit denen von international renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Im Aargauer Kunsthaus präsentiert Julier mehrere neue Werke, so u.a. die Videoinstallation "A Millon-Year Picnic - Conversations on Mars" (2024). Sie ist das Ergebnis eines interdisziplinären Arbeitsprozesses, der im Januar 2024 im Théâtre Vidy-Lausanne stattfand. In Zusammenarbeit mit dem Dramaturgen Eric Vautrin kreierte Julier eine immersive "Marsnacht", zu der sie einen Komponisten, eine Schriftstellerin und Kosmosspezialistinnen und -spezialisten wie den Physik-Nobelpreisträger Didier Queloz (ETH Zürich) für Gespräche auf ein dem Mars nachempfundenes Filmset einlud.

Die Ausstellung des Aargauer Kunsthauses Pauline Julier. "A Single Universe" lädt ein zu einer klangvollen Reise durch den Kosmos, aber auch zu uns selbst. Mit ihren Werken begegnet Julier dem Unbehagen gegenüber der aktuellen ökologischen Situation mit einer Prise Humor - oder wie die Künstlerin selbst sagt: "Ich beteilige mich an der Erfindung von Geschichten, um unsere Endlichkeit zu täuschen und die Natur in Landschaften oder Definitionen zu sperren, damit sie stillhält." (2017-2019).

Pauline Julier (*1981, Genf) ist eine Schweizer Künstlerin und Filmemacherin. Juliers Arbeiten hinterfragen die Produktion von Bildern und entstehen oft im Dialog mit Schriftstellern, Wissenschaftlerinnen und Personen, denen sie an den Orten ihrer Recherchen begegnet.

Pauline Julier. A Single Universe
8. Juni bis 27. Oktober 2024