New York 60s – Sepp Werkmeister Fotografien

Der gebürtige Münchner Sepp Werkmeister hat seit Jahrzehnten einen Namen als einer der führenden Jazzfotografen in Deutschland. Berühmte Musiker wie Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Oscar Peterson oder Miles Davis hat er in München, Paris, New York und auf internationalen Festivals in einfühlsamen Schwarzweiß-Aufnahmen porträtiert. Werkmeisters Bilder zieren mittlerweile unzählige Plattencover, Plakate und Bücher sowie die Jazzpublikationen von Joachim Ernst Behrendt.

Nahezu unbekannt geblieben bislang sind Werkmeisters New York-Straßenbilder aus den 1960er und 1970er Jahren, die faszinierende Einblicke in das turbulente Leben der amerikanischen Metropole gewähren. Die Straßen von New York waren in dieser Zeit Schauplatz harscher sozialer Gegensätze. Glamour und Elend lagen oft dicht beieinander, die Klassenunterschiede traten offen im Straßenleben zutage, in der Regel eindeutig identifizierbar mit der schwarzen bzw. weißen Bevölkerung. Inmitten dieses rauen, nicht immer gewaltfreien Klimas hat Sepp Werkmeister das ganze Panorama der New Yorker Stadtgesellschaft mit seiner Rolleiflex-Kamera abgebildet: den Müll, die Gestrandeten und Obdachlosen auf der einen, die Reichen und nach der jüngsten Mode gestylten Stadtbewohner auf der anderen Seite. Es sind viele skurrile Typen darunter, die sich aus der anonymen Masse abheben und in unbeobachteten Augenblicken erfasst worden sind. Diese Gegensätze haben Werkmeister vor allem interessiert, als er seine Kamera auf die verwahrlosten Mietshäuser in der Bronx oder Bowery richtete, um gleichzeitig in der Fifth Avenue die Schaufensterauslagen der Nobelboutiquen aufzunehmen.

Das schrille New York-Panorama umfasst Darstellungen von ausgeweideten Straßenkreuzern und Alkohol- bzw. Drogensüchtigen ebenso wie ultraschick gekleidete Passanten, die ihren Auftritt mit dandyhafter Attitüde zelebrieren. Es war keine einfache Situation für einen weißen Fotografen sich innerhalb eines vorwiegend von Farbigen bewohnten Stadtviertel zu bewegen und zu fotografieren, wie sich Werkmeister rückblickend erinnert: "Als Weißer wurde ich in manchen Kneipen einfach nicht bedient. Die haben mich gar nicht beachtet, gar nicht gesehen. Da gab"s mich nicht, ich war förmlich unsichtbar." Dieses gab ihm die Freiheit, unauffällig das bunte Treiben um sich herum zu beobachten und mit der Kamera zu fixieren. Auf diese Weise gelangen Werkmeister atmosphärisch dichte Bilder, die das Verhalten und die spezifische Befindlichkeit der Personen unverfälscht wiedergeben.

Mit seinen Darstellungen steht Sepp Werkmeister in einer jahrzehntelangen Tradition der europäischen und amerikanischen street photography. Henri Cartier-Bresson, William Klein, Lisette Model, Weegee, Garry Winogrand, Thomas Hoepker oder die kürzlich entdeckte Vivien Maier gehören zu den profiliertesten Dokumentaristen dieses Genres. Den Vergleich mit diesen berühmten Fotografinnen und Fotografen braucht Sepp Werkmeister nicht zu scheuen – seine New York Bilder behaupten sich mühelos und sind eine veritable Entdeckung in der Geschichte der Nachkriegsfotografie. Ungewöhnlich ist außerdem, dass Sepp Werkmeister schon frühzeitig in Farbe fotografierte, ein Jahrzehnt, bevor Stephen Shore und William Eggleston die farbige street photography international salonfähig machen sollten. Entscheidend beeinflusst war Werkmeister in der damaligen Zeit von den Farbbildern des österreichischen Magnum-Fotografen Ernst Haas und dem kompromisslosen Werk von Diane Arbus. Der Fotografin ist Sepp Werkmeister in New York begegnet und ihre Persönlichkeit hatte bei ihm nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

Zeitgleich zur Fotografie hat Sepp Werkmeister das Stadtleben auch mit einer Super 8 Schmalfilmkamera festgehalten. Zu sehen sind ähnliche Motive, die zugleich den Rhythmus und die Dynamik des Alltagslebens erfassen. In der Ausstellung "New York Life lines" wird ein vor kurzem fertiggestellter New York-Film mit Originalaufnahmen von Sepp Werkmeister gezeigt. Die Wiederentdeckung dieses Werkes und die lohnenswerte Zeitreise in das New York der 1960er und 1970er Jahre verdanken wir dem Verein "Kulturkontor" der mit großem Engagement dafür gesorgt hat, dass Sepp Werkmeisters Aufnahmen die Aufmerksamkeit einer größeren Öffentlichkeit zuteil wird.


Zur Ausstellung erscheint ein Katalog (zweisprachig englisch / deutsch) mit Texten von Fritz J. Raddatz und Ulrich Pohlmann im Hirmer Verlag München.

New York 60s – Sepp Werkmeister Fotografien
31. Juli bis 27. September 2015