Neues von Albert, Ozon, Cantet und Ghobadi beim 60. Filmfestival von San Sebastian

Auch wenn das Filmfestival von San Sebastian/ Donostia (21. bis 29. September) heuer sein 60. Jubiläum feiert, steht die Veranstaltung am Golf von Biskaya doch im Schatten des unmittelbar davor stattfindenden Festivals von Venedig. Trotz dieser übermächtigen Konkurrenz ist das Line-Up für den Wettbewerb um die Goldene Muschel auch heuer wieder vielversprechend.

Die granz großen Brocken – vor allem die Amerikaner – schnappt in der Regel Venedig dem Festival von San Sebastian/Donostia weg. Reizvoll liegt die baskische Hauptstadt zwar am Golf von Biskaya, doch auch etwas am Rand von Europa, sodass das Festival im deutschsprachigen Raum weniger Beachtung findet.

Im Gegensatz zu Locarno, das sich eher als ein Festival der Entdeckungen versteht, setzt man in San Sebastian durchaus auf renommierte Namen und sieht sich andererseits als wichtige Plattform für den spanischen und lateinamerikanischen Film.

Eröffnet wird das Festival aber mit der Europa-Premiere des amerikanischen Thrillers "Arbitrage". Nicholas Jareckis in der Welt der Hochfinanz spielendes Debüt soll dabei durch die Präsenz seiner Stars Richard Gere und Susan Sarandon für mediales Interesse sorgen. Der einzige US-Beitrag im Wettbewerb ist dies, das Polit-Drama "Argo", in dem Ben Affleck von der amerikanischen Geiselhaft in Teheran im Jahre 1979 erzählt, läuft außer Konkurrenz.

Den Ton geben im Wettbewerb wie gewohnt die Spanier an, die mit vier Filmen vertreten sind. Fernando Truebas "The Artist and the Model" spielt während des Zweiten Weltkriegs im besetzten Frankreich und erzählt von einem Bildhauer, der seinen Lebensmut wieder findet. Pablo Berger legt mit "Blancanieves" seine Version des Grimmschen Märchens "Schneewittchen" vor und siedelt sie im Südspanien der 1920er Jahre an.

Um einen Killer, der sich auf eine 2000 km lange dunkle Reise ins Nichts begibt kreist Javier Rebellos "The Dead Man and Being Happy", während Sergio Castellitto in "Twice Born" mit Penélope Cruz in der Hauptrolle von einer Schauspielerin erzählt, die 16 Jahre nachdem sie mit ihrem sechsjährigen Sohn aus dem belagerten Sarajewo entkam, in die bosnische Hauptstadt zurückkehrt.

Abgesehen von dieser Häufung kennzeichnet geographische Breite den Wettbewerb. Nicht fehlen darf in San Sebastian ein Lateinamerikaner. Schon zum fünften Mal ist der Argentinier Carlos Sorin im Wettbewerb von San Sebastian. In "Días de pesca - Fishing Days" erzählt er von einem Ex-Alkoholiker, der als neues Hobby das Fischen entdeckt. Mit Costa-Gavras, dessen "Capital" in der Finanzwelt spielt, ist ein Altmeister ebenso vertreten wie mit dem Kurden Bahman Ghobadi, der in "Rhino Season", von einem iranisch-kurdischen Dichter erzählt, der nach 30 Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen wird, ein zweimaliger Gewinner der Goldenen Muschel.

Laurent Cantet kommt mit der Referenz in Cannes für seinen letzten Film "Entre les murs – Die Klasse" die Goldene Palme gewonnen zu haben ins Baskenland. In seinem 1953 in einer Kleinstadt im Bundesstaat New York angesiedelten "Foxfire" erzählt er von einer Gang von Mädchen. Ebenfalls in die Vergangenheit führt Barbara Alberts "Die Lebenden". Die Österreicherin lässt in ihrem neuen Film ihre 25-jährige Protagonistin die Geschichte ihrer Familie erforschen, wobei sie auch auf Abgründe in der heutigen europäischen Gesellschaft stößt.

Nach "Salmon Fishing in the Yemen" bringt der Schwede Lasse Hallström mit "The Hypnotist" schon die zweite Bestsellerverfilmung im heurigen Jahr heraus. Um eine Bestsellerverfilmung handelt es sich auch bei "The Attack" des Libanesen Ziad Doueiri. Abgerundet wird der Wettbewerb mit neuen Filmen von Francois Ozon, der in "Dans la maison" von der Beziehung zwischen einem Lehrer und einem seiner Schüler erzählt, und von "All Apologies" der Chinesin Emily Tang.

Einen Überblick über das aktuelle spanische bzw. das lateinamerikanische Kino kann man sich in den Sparten "Made in Spain" und "Horizontes Latinos" verschaffen, während in den Zabaltegi Pearls die großen Filme des Jahres gezeigt werden. Entdeckungen kann man dagegen in der Reihe "New Directors" machen, in der neben 16 weiteren Filmen als deutscher Beitrag Friederike Jahns "Draußen ist Sommer" läuft.

Ein Fixpunkt und auch ein Prunkstück des Festivals sind jedes Jahr die Retrospektiven. Die personenbezogene Retrospektive ist heuer dem französischen Außenseiter Georges Franju gewidmet, die thematische zeigt dagegen unter dem Titel "Very Funny Things. New American Comedy" 30 US-Komödien der letzten 30 Jahre.