"Spieglein, Spieglein an der Wand" - "Schneewittchen"-Filme

18. Juni 2012 Walter Gasperi
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Mit "Spieglein Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen und "Snow White and the Huntsman" kamen vor kurzem gleich zwei Versionen von "Schneewittchen" ins Kino. Verfilmungen des Grimmschen Märchens gibt es aber schon seit den Anfängen der Filmgeschichte. Der unterschiedliche Umgang mit dem Stoff spiegelt dabei oft auch Tendenzen der Filmgeschichte wider.

Zum Markenzeichen für Disney ist das Schloss aus dem Zeichentrickfilm "Snow White and the Seven Dwarfs" (1937) geworden, bestimmt das Firmenlogo ebenso wie den bei Los Angeles gelegenen Vergnügungspark Disneyland. Vorbildwirkung für alle folgenden Disney-Trickfilme hatte der 1937 entstandene Märchenfilm, der in Deutschland aufgrund der Nazizeit aber erst 1950 in die Kinos kam.

Angeregt wurde Disney zu seinem Film durch einen Stummfilm, den er im Alter von 15 Jahren sah. Seit Disney dieser Aufführung, bei der mit vier Projektoren parallel leicht asynchron auf vier Leinwände projiziert wurde, gesehen hatte, wollte er dieses Märchen verfilmen. Gesehen hat Disney dabei wohl kaum einen der ersten Kurzfilme, die seit 1902 entstanden, sondern vermutlich die 1916 erschienene, erste Langfilmversion des Märchens.

Weil Disney die Darstellung der Zwerge in einem Realfilm für problematisch hielt, entschied er sich trotz Kritik der Hollywood-Prominenz und seiner Geschwister das Märchen als ersten langen Zeichentrickfilm auf die Leinwand zu bringen. Abendfüllend sollte der Film werden, da Disney sich mit seinen kurzen Trickfilmen, die in Vorprogrammen liefen, sich soviel Respekt verschafft hatte, dass er überzeugt war, dass auch ein animierter Langfilm ein Publikum anlocken konnte.

Innovativ wirkte auch der Einsatz der "Multiplan-Kamera", die die gemalten Bildräume plastisch erfahrbar machte. Bei der Gestaltung der Charaktere wiederum orientierte sich Disney an Hollywood-Stars wie Douglas Fairbanks, Janet Gaynor oder Harpo Marx. Stilbildend für weitere Disney-Produktionen war nicht nur die Anlage des Märchens als romantisches Melodram mit komischen Momenten, sondern auch der Einsatz von Liedern. 25 Songs wurden für "Snow White and the Seven Dwarfs" geschrieben, acht wurden schließlich ausgewählt, einige davon wie "High Ho" wurden zu Evergreens.

Fast zeitgleich entstand in Nazi-Deutschland ein Real-Verfilmung des Märchens. In Carl Heinz Wolffs "Schneewittchen und die sieben Zwerge" (1939) leidet die Titelheldin bereits als Kleinkind psychisch unter dem Hass ihrer Stiefmutter. Im Gegensatz zu gängigen Märchenverfilmungen werden dabei die Grausamkeiten, die im Grimmschen Märchen vorkommen eins zu eins übersetzt. So muss die böse Königin für ihre Untaten schließlich in glühenden Eisenpantoffeln tanzen, bis sie stöhnend vor Schmerzen zusammenbricht.

Weitgehend kindgemäß entschärft wurden solche Passagen dann im westdeutschen Märchenfilm der Nachkriegszeit. So verfilmte Erich Kobler "Schneewittchen" 1955 mit Schloss Neuschwanstein als Kulisse und Kindern als Darsteller der Zwerge.

Eine blühendere Märchenfilm-Produktion gab es aber in den 1960er und 1970er Jahren in Osteuropa. In der DDR legte Gottfried Kolditz 1961 eine heiter-beschwingte und mit eingängigen Liedern versehene Verfilmung des Stoffes vor und in der Tschechoslowakei ließ Véra Plívová-Simková 1971 in "Schneewittchen und die 7. Klasse" Kinder eines Bergdorfes gegen eine Theateraufführung des Märchens den Aufstand proben.

Wie sehr der Stoff auf aktuelle filmische Trends abgestimmt wurde, zeigt nicht nur "Schneewittchen und die sieben Gaukler" (1962), für den Kurt Hoffmann das Märchen zu einem der damals beliebten Musikfilme mit Caterina Valente umarbeitete.

Wie andere klassische Filmfiguren wie "Dracula" oder "Frankenstein" musste auch "Schneewittchen" mit dem Wandel der Zeiten Mutationen über sich ergehen lassen. Auf die Sexwelle sprang man mit "Grimms Märchen vom lüsternen Pärchen / Schneewittchen … doch ein Flittchen" (Rolf Thiele, 1969) Ende der 60er Jahre ebenso auf wie knapp 20 Jahre später mit "Snow White: A Tale of Terror" (Michael Cohn, 1997) auf die Horrorschiene und auch parodistische Bearbeitungen wie Otto Waalkes "7 Zwerge – Männer allein im Wald" (2004) und dessen Fortsetzung "Schneewittchen – 7 Zipfel und ein Horst" (2006) folgten.

Eine Musical-Version des Märchens (1986) mit Diana Rigg als Königin gibt es ebenso wie die obligaten japanischen Zeichentrickserien und in einer chinesisch-deutschen Koproduktion wurde das Märchen als Silhouettentrickfilm aufgearbeitet.

Gleich vier Adaptionen von "Schneewittchen" entstanden 2012, gerade richtig zum 200-Jahr-Jubiläum des Märchens. Mit dem ironischen "Spieglein Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen" und dem düsteren Fantasyfilm "Snow White and the Huntsman" sind zwei heute typische Umgangsweisen mit solchen Stoffen vertreten. Das Teeniegenre bedient "Snow White: A Deadly Summer", in dem die Geschichte in ein heutiges Erziehungslager verlegt wird – dieser Film wird im deutschen Raum nur als DVD erscheinen – und die Trashversion gibt’s mit "Grimm´s Snow White", die selbst in den USA nur auf DVD auf den Markt kam und hierzulande gar nicht erscheinen wird.

Trailer zu "Snow White and the Seven Dwarfs" (1937)