Anhand spätbronzezeitlicher Urnen aus St. Pölten entwickelte ein Team unter Leitung von Forscher:innen des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) einen interdisziplinären Ansatz, mit dem Brandbestattungen deutlich mehr Geheimnisse entlockt werden können.
Bei der archäologischen Untersuchung von Brandbestattungen fällt es häufig schwer, detaillierte Informationen über die Verstorbenen zu gewinnen, um beispielsweise Sterbealter oder Geschlecht verlässlich festzustellen. Ein Problem, das insbesondere für die Erforschung der späten Bronzezeit, als sterbliche Überreste üblicherweise zunächst auf Scheiterhaufen verbrannt und anschließend in Urnen gesammelt wurden, ein großes Hindernis darstellt. Mit einem interdisziplinären Ansatz ist es Wissenschaftler:innen des ÖAW nun gelungen, eine Methode zu entwickeln, mit der aus der Asche deutlich mehr Informationen gewonnen werden können. Die dazu im Fachmagazin "PLOS ONE" veröffentlichte Studie eröffnet neue Perspektiven für die Erforschung bronzezeitlicher Bestattungsriten und damit auch wichtige Einblicke in damalige Gesellschaften.
Das Forscher:innenteam entwickelte die Methode bei der Untersuchung zwei spätbronzezeitlicher Urnen aus St. Pölten (ca. 1430 und 1260 v. Chr.). Dabei wurden archäologische Verfahren mit Anthropologie, Computertomographie, Archäobotanik, Zooarchäologie, Geochemie und Isotopenanalysen kombiniert.
Zuerst wurden die noch verschlossenen Urnen mittels Computertomographie (CT) gescannt. Dann wurde Schicht für Schicht ausgegraben, stets in Abstimmung mit der CT, um alle Informationen genauestens dokumentieren zu können. Fragile Knochenstücke wurden mit Kunstharz fixiert, um sie in der Nachbearbeitung besser bestimmen zu können.
Die Forscher:innen stießen dabei auf einige Überraschungen. "Wir konnten nicht nur vieles zu den beiden Individuen herausfinden – ein 9- bis 15-jähriges Kind mit Mangelerscheinungen und eine 23 bis 32 Jahre alte Frau – , sondern auch die Bestattungsriten so genau wie möglich rekonstruieren", sagt der ÖAW-Anthropologe Lukas Waltenberger. So offenbarten einige der Knochen etwa tierischen Ursprung von Schaf, Wildschwein, Hirsch und Ziege, die als Speiseopfer am Scheiterhaufen mitverbrannt wurden. Mithilfe der Archäobotanik wurde darüber hinaus eine große Menge an pflanzlichen Nachweisen gefunden. "Rund 19.000 verkohlte Pflanzenreste konnten unter dem Mikroskop identifiziert werden, darunter Hirse, Linsen, Emmer, Einkorn und Holunder", so Waltenberger. "Auch Drusch-Reste, also die Stängel und Ährchengabeln, die beim Dreschen übrigbleiben, waren in den Urnen. Wir gehen davon aus, dass sie als Anzünder für den Scheiterhaufen verwendet wurden."
Das Gesamtbild, das sich bei den Untersuchungen der Urnen ergab, zeugte schließlich von einem aufwändigen Bestattungsritus, bei dem die angekleideten Verstorbenen gemeinsam mit vielfältigen - und eben auch tierischen und pflanzlichen - Grabbeigaben auf dem Scheiterhaufen platziert worden waren.
Für die Forschung ist die Entwicklung der neuen Methode ein wichtiger Schritt: "Über die späte Bronzezeit wissen wir vergleichsweise wenig, da sich Brandbestattungen bisher nur eingeschränkt Informationen entnehmen ließen. Mit der neuen Vorgehensweise können wir hier deutlich genauere Interpretationen vornehmen - und damit viel mehr über die damalige Zeit herausfinden", ist Waltenberger überzeugt.