Mit Licht gezeichnet

Carl Blechen (1798 – 1840) galt schon seinen Zeitgenossen als ein Phänomen. Sie bewunderten seine Genialität, zugleich jedoch provozierte er das Publikum mit seinen formal und inhaltlich neuen Sichtweisen. Heute wird er international als einer der bedeutendsten Künstler des 19. Jahrhunderts geschätzt. Als Landschaftsmaler bezieht sich Blechen motivisch und inhaltlich auf die Romantik, insbesondere auf Caspar David Friedrich und Johan Christian Clausen Dahl. Im Malerischen weist er jedoch weit über seine Zeit hinaus.

Blechens Kunst verbindet eine Frühform realistischer Wahrnehmung mit einer Technik der Pleinairmalerei, die zu dieser Zeit und in dieser Form in Europa neu ist. Für diese Kombination gibt es weder direkte Vorläufer noch unmittelbare Nachfolger. Mit dem AmalfiSkizzenbuch zeigt die Hamburger Kunsthalle das Herzstück einer Italienreise, eine der bedeutendsten Arbeiten Blechens überhaupt.

In den nur etwa 15 Jahren seines künstlerischen Schaffens, zwischen der Aufnahme des Studiums 1822 und dem Ausbruch seiner Geisteskrankheit 1836, entstand ein für diese Zeit einzigartiges Œuvre, das mit den Arbeiten William Turners verglichen werden kann. Höhepunkt sind die 1828/29 auf seiner Italienreise entstandenen Arbeiten. Das Amalfi-Blattkonvolut versammelt auf 66 großformatigen Seiten die mit Bleistift, Sepia und Aquarellfarben festgehaltenen Eindrücke einer zehntägigen Wanderung entlang der Amalfitanischen Küste. In den Bergorten Amalfi, Ravello, Minuto und Scala und im Mühlental hinter Amalfi fertigte Blechen im Mai 1829 eine große Anzahl von Landschaftszeichnungen. Sie entstanden zügig und sind doch beeindruckend präzise im Erfassen des Momentes. Blechen geht dabei nicht von der in dieser Zeit üblichen vedutenhaften Vorstellung, sondern vom unmittelbaren sinnlichen Eindruck aus und nimmt die Phänomene von Licht, Schatten und Atmosphäre in den Blick.

Die Akademie der Künste in Berlin, deren Mitglied und Professor für Landschaftsmalerei Blechen war, erwarb nach dessen Tod die Skizzenbücher und Ölskizzen aus dem Nachlass, löste die Zeichnungskladden mehrheitlich auf und verwandte sie im Akademieunterricht als Studienmaterial. Zwar wurden einzelne Blätter mehrfach ausgestellt und publiziert, doch das Skizzenbuch ist in seiner Gesamtheit einem allgemeinen Publikum weder im Original noch in der Reproduktion bekannt. Die Ausstellung "Mit Licht gezeichnet" ist die erste Präsentation aller zum Skizzenbuch gehörenden Blätter (64 aus der Kunstsammlung der Akademie der Künste, Berlin, zwei aus dem Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin). In der Betrachtung aller Blätter werden die Komplexität des Skizzenbuches, die Vielfalt der Techniken, Blechens virtuoser Umgang mit Bleistift, Feder und Pinsel und seine künstlerischen Prinzipien erfahrbar. Diese erste Präsentation des gesamten Skizzenbuches wird auf lange Sicht zugleich die letzte sein, da die sensiblen Blätter aus konservatorischen Gründen nicht wieder in dieser Fülle präsentiert werden.

Mit Licht gezeichnet
Das Amalfi-Skizzenbuch von Carl Blechen
aus der Kunstsammlung der Akademie der Künste, Berlin
30. Oktober 2009 bis 17. Januar 2010