Lucy Skaer – Force Justify (part 3)

Lucy Skaer arbeitet alternierend in den Medien Zeichnung, 16mm-Film und Skulptur, wobei sie diese vielfach kombiniert und zu raumgreifenden Installationen inszeniert. Dabei steht ihre filigrane und zarte Handschrift im scharfen Kontrast zu den von ihr abgehandelten Themen wie körperliche Gewalt bei struktureller Machtausübung, Spannungsverhältnisse zwischen Ordnung und Chaos oder Vernunft und Irrationalität, sowie die kritische Auseinandersetzung mit dem Erbe der Geschichte und ihrer Niederschrift.

Dabei pflegt Lucy Skaer in ihrem künstlerischen Ansatz mit Vorliebe die Material- und Ikonographieforschung. Ihren subtilen Umgang mit dem Faktor Zeit beschreibt sie mit folgender Analogie, welche die Intensität des Augenblicks, die in ihrem Werk so eine große Rolle spielt, festhält: "Manchen Kunstwerken scheint die Gegenwart regelrecht innezuwohnen. Sie materialisieren eine zeitgebundene Dynamik, die man gleichsetzen kann mit der Situation in der U-Bahn, wo einen der Blick des Anderen streift und dieser zufällige Blickkontakt eine Spur zu lange anhält."

Die Ausstellung "Force Justify (part 3)", die Lucy Skaer in Wien zeigt, ist eine Fortsetzung bzw. Erweiterung der Präsentationen im K21 in Düsseldorf (2010) und bei Tulips & Roses in Brüssel (2012). Bei jeder dieser Ausstellungsstationen ergänzte die Künstlerin die mehrteilige, raumgreifende Installation um einige Elemente, die sich mit der Eigenart des jeweiligen Ortes und seiner Umgebung auseinandersetzen.

Thematischer Angelpunkt ist die Allegorie des "Ship of Fools" (Narrenschiff), einer Moralsatire von Sebastian Brant (1457–1521), die 1494 in Basel gedruckt wurde und als populärstes deutschsprachiges Buch der Reformation gilt. Wir finden darin eine Typologie von über 100 Narren auf einem Schiff, ein Motiv, das seine Verbreitung in zahlreichen Holzschnitt und anderen Drucktechniken der Zeit erfuhr. Skaer zitiert in dieser Ausstellungsserie das Titelblatt der 1549 bei Wendelin Rihel in Straßburg gedruckten Fassung der Narrenschiffdarstellung und stellt es in mehrfacher Vergrößerung ins Zentrum der Ausstellung. Die Schrift kann zum einen als Sozialstudie gelesen werden, zum anderen als Warnschrift und Gebrauchsanweisung gegen potentielles moralisches Fehlverhalten. Dieser einflussreiche Text wurde in der europäischen Kulturgeschichte immer wieder aufgenommen und von so unterschiedlichen wie einflussreichen Personen wie Brants Zeitgenossen und Maler Hieronymus Bosch (1450–1516) oder dem Philosophen Michel Foucault (1926–1984) kritisch beleuchtet.

Vergleichbar den großen Druckgraphiken ist das mit "The Good Ship Blank and Ballast" (2010–2012) betitelte Konvolut von Skulpturen einem Transformationsprozess unterzogen worden. Zuerst 2010 in Düsseldorf gezeigt, besteht der Zyklus ursprünglich aus 98 Aluminiumplastiken und stellt die freie Interpretation der Bronzearbeit "Newborn" (version I, 1920, MoMA, NYC) des rumänischen Bildhauers Constantin Brâncusis (1876–1957) dar. Diese Plastik Brâncusis, die Skaer wegen ihrer spezifischen Qualität des Oszillierens zwischen Repräsentation und Flächigkeit ausgewählt hat, wurde in einem weiteren Schritt eingeschmolzen und zu säulenartigen Gebilden gegossen, um sich in das Muster des Fußbodens von Tulips & Roses in Brüssel einzuschmiegen. Dabei bezieht sich der Begriff des im Titel erwähnten "Ballasts" gemäß Skaer auf die Genese von Objekten, die ausschließlich aufgrund ihrer utilitären d. h. zwecksgebundenen Funktion entstanden sind. Die Plastiken verkörpern Gewicht und Stabilität, bar jeglicher ästhetisch-repräsentativen Qualität.

Lucy Skaer, geboren 1975 in Großbritannien, lebt und arbeitet in New York. Bereits 2007 bespielte Lucy Skaer, damals erst 32 Jahre alt, den schottischen Pavillon der 52. Biennale von Venedig, und war 2009 neben Enrico David, Roger Hiorns und Richard Wright für den prestigeträchtigen Turner Prize (Tate Britain) nominiert.

Force Justify (part 3)
5. Juli bis 26. August 2012

Karlsplatz Project Space
Treitlstraße 2, 1040 Wien
täglich 13 – 24 Uhr
So/Mo 13 – 19 Uhr