Literaturnobelpreisträger Kenzaburo Oe †

Der japanische Literaturnobelpreisträger und Pazifist Kenzaburo Oe ist im Alter von 88 Jahren gestorben. Dies teilte sein Verlag Kodansha mit. Oe, der so etwas wie das soziale Gewissen Japans galt, warnte eindringlich etwa vor einem Rückfall Japans in die Zeiten, die zum Zweiten Weltkrieg führten. Das schwedische Nobelpreiskomitee, das Oe 1994 mit dem Nobelpreis für Literatur ehrte, würdigte denn auch nicht nur Oes literarisches Schaffen, sondern auch seine Rolle als Sozialkritiker sowie Mahner vor einer kritiklosen Verwestlichung seines Heimatlandes.

Ein zentrales Thema für Oe, der am 31. Jänner 1935 auf der Insel Shikoku im Südwesten Japans als Spross einer Samurai-Familie geboren wurde und von seiner ländlichen Herkunft geprägt blieb, war auch der Atombombenabwurf auf Hiroshima. Und nach dem Atomunfall in Fukushima forderte Oe den Ausstieg Japans aus der Atomkraft.

Was die Literatur anbelangt, so feierte Oe seinen Durchbruch mit der frühen Erzählung "Der Fang“ (1958). Sie handelt von der tragischen Geschichte eines afroamerikanischen Piloten, der während des Zweiten Weltkriegs in einer japanischen Dorfgemeinschaft gefangen gehalten wird. Bereits kurz nach Erscheinen wurde die Erzählung von Nagisa Oshima verfilmt und brachte Oe den renommierten Akutagawa-Preis ein.

Oe selber bezeichnete seinen Erzählstil als "grotesken Realismus“ und berief sich dabei gern auf den französischen Dichter Francois Rabelais (1494–1553). Auch deutsche Autoren wie Grimmelshausen und Goethe beeindruckten ihn. Das Nobelpreiskomitee führte in seiner Begründung zudem Einflüsse von Dante, Edgar Allen Poe, Honore de Balzac, T. S. Eliot und Jean-Paul Sartre an. Der Bezug besonders zur französischen Literatur prägte Oe seit seinen Jugendtagen. Dass er später in Tokio Französisch studierte, ist eine logische Konsequenz daraus.

Oe entschied sich von Anfang an, dem Randständigen eine Stimme zu geben, oder, wie er es ausdrückte, "an den Rändern“ zu bleiben und niemals "mit denen zusammenzuarbeiten, die sich im Zentrum befinden und die Macht haben“. Die Geburt seines beeinträchtigten Sohnes Hikari (japanisch für "Licht“) im Jahr 1963 gab seinem Werk einen neuen Impuls.

Seine später verfassten autobiografischen Essays, die unter dem Titel "Licht scheint auf mein Dach“ erschienen sind, handel von seinem inzwischen erwachsenen Sohn Hikari, der klassische Musik komponiert. Und die "Notizen aus Hiroshima" (1965) von Oe stehen für eine Sammlung ergreifender Zeugnisse von Opfern des 6. August 1945. In seinen „Notizen aus Okinawa“ (1970) befasst er sich mit dem tragischen Schicksal dieser kleinen Inselgruppe an der Peripherie Japans, die erst 1972 von den USA zurückgegeben wurde.