Die neue Sammlungsschau im Oberen Belvedere präsentiert Werke realistischer Malerei aus einem Zeitraum von einhundert Jahren.
Die Schau zeigt Beispiele realistischer Malerei aus den Beständen des Museums, die in der Periode von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden sind. Obwohl aus unterschiedlichen Zeiträumen, weisen sie dennoch erstaunlich viele Gemeinsamkeiten auf. So zeigen einige der Gemälde eine anspruchsvolle und präzise Maltechnik. Gemein ist ihnen oftmals auch eine spezifische, oft kritische Beschäftigung mit der zeitgenössischen Lebensrealität. Diesen Querverbindungen über ein Jahrhundert hinweg geht das Museum im Rahmen einer Sammlungspräsentation des Oberen Belvedere nach.
Der Begriff Realismus geht auf den französischen Maler Gustave Courbet zurück. Im Rahmen der Weltausstellung in Paris im Jahr 1855 zeigte er seine Werke in einem eigenen Gebäude und nannte seine Präsentation "Le Réalisme". Courbet wählte dabei eine völlig neuartige, lebensnahe und nüchterne Darstellungsweise: Vorwiegend unkonventionelle Motive wurden ohne Zugeständnisse an eine bis dahin übliche beschönigende Ästhetik ins Bild gesetzt. Der "Réalisme" etablierte sich in den nachfolgenden Jahren als eigenständige Stilrichtung, die auf die gesamte europäische und amerikanische Malerei ausstrahlte. Dabei spielte auch der Einfluss der noch jungen Fotografie eine wesentliche Rolle. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert präsentierte sich die realistische Malerei stets als Gegenpol zu den in dieser Periode rasch wechselnden Stilformen und Avantgarden.
Maler:innen warfen Blicke in trostlose Hinterhöfe, so wie Erich Miller-Hauenfels im Jahr 1934, rückten Kinderarmut in den Fokus, wie es Anton Filkuka mit den holzsammelnden Kindern von 1925 tat, zeigten das Schicksal von Arbeiter:innen, Dienstbot:innen – zu sehen etwa in einem in den 1850er-Jahren entstandenen Bildnis einer Küchenmagd von Johann Baptist Reiter – und thematisierten Randgruppen der Gesellschaft, wie Josef Engelhart mit dem fast lebensgroßen Pülcher aus dem Jahr 1888.
Der Rundgang durch die Sammlung des Belvedere überrascht durch seine Themenvielfalt. Ausgewählte Werke werden in einer epochenübergreifenden Gegenüberstellung miteinander konfrontiert. Manche der Arbeiten waren bislang selten oder noch nie zu sehen, so etwa Emanuel Baschnys Lesender Mann von 1905 und Anton Hulas Stillleben mit blühendem Kaktus aus dem Jahr 1929. Erstmals zu sehen ist auch Gustav Klimts Bildnis Mathilde Trau, entstanden um 1893. Seit 2019 befindet sich das Gemälde als Dauerleihgabe in der hauseigenen Sammlung.
Lebensnah - Realistische Malerei von 1850 bis 1950
18. März bis 1. November 2022