Beim Promenieren in Zürich lasse ich – vor allem im Sommer – die Seeparkanlagen mit dem ikonischen Pavillon von Le Corbusier niemals aus. Dieser ist der letzte baureife Entwurf des Architekten und wurde zwei Jahre nach seinem Tod gewissenhaft fertiggestellt. Die Kunstsammlerin Heidi Weber war eine ehrgeizige Bauherrin mit der Vision, das bildnerische Œuvre Le Corbusiers als Gesamtkunstwerk in einem von ihm selbst entworfenen Ausstellungspavillon zu präsentieren. Als die Stadt Zürich 2014 durch den Heimfall des Baurechts zur Eigentümerin wurde, stellte man sich der anspruchsvollen Herausforderung das integral denkmalgeschützte Bauwerk akribisch Instand zu setzen.
Als "La Maison d’Homme" bezeichnete es der Architekt, er wollte keinen Ausstellungssaal schaffen, sondern hielt die projektierte Interaktion von Architektur und Mobiliar, von Malerei, Tapisserie, Plastik und Grafik "im Maßstab eines Wohnhauses" für wirkungsvoller, "ein Demonstrationsobjekt architektonischer Prinzipien und ein Laboratorium für die Synthese der Künste". Kunst, Architektur und Leben.
Ein freistehendes Schirmdach – "para-pluie-parasol" – mit zwei verbundenen quadratischen Stahlblechkonstruktionen, die sich jeweils aus vier ebenen, sattelförmig zueinander geneigten Flächen zusammensetzen, und darunter ein loses System farbiger "Bauklötzchen" aus vorfabrizierten Stahl- und Glaselementen, in den Maßen des "Modulor". Die Konstruktion folgt der Prämisse von Variabilität. Zum festen, glatt gefügten und farblich neutral gefassten Dach sollte die autonom darunter gestellte Raumkonstellation (zumindest theoretisch) transformierbar bzw. demontierbar sein. So bestand Le Corbusier auf die sichtbare Verschraubung der ausfachenden Elemente, da durfte es keine Vereinfachung durch Verschweißen geben, der Unterkellerung widersetzte er sich jedoch nicht.
Dieses architektonische Vermächtnis Le Corbusiers demonstriert viele seiner Entwurfsprinzipien: die Vorfabrikation wiederkehrender Bauelemente, eine "promenade architecturale" die mit der Erschließungsrampe außen und einer Treppenskulptur innen die Wegeführung durch das Gebäude zeichnet, oder die atmosphärenreiche Dachlandschaft sowie die ausgewogene Inszenierung mit Einbaumöbeln.
Bei der Bestandsaufnahme zur Restaurierung zeigte sich ein enormer Sanierungsbedarf. Die Hülle des Bauwerks war nicht mehr dicht, vor allem die verschraubte Stahlrahmenkonstruktion, in die die Glas- und Emailpaneele der Fassade eingesetzt sind – wobei die Dauerhaftigkeit der emaillierten Oberflächen unbeschränkt zu sein scheint – und auch im Untergeschoß stand Wasser. Weitere Details der Wiederherstellung würden ein eigenes Kapitel füllen (siehe auch Buchbesprechung nextroom.at).
Seit Mai 2019 ist der Le Corbusier Pavillon am Ufer des Zürichsees wieder als Museum zugänglich. Wer es besuchen will, sollte genug Zeit dafür reservieren – so üppig, was diese Architektur an Erlebnisreichtum zu bieten hat!