Kunst am Sonntag: Sitzungs- und Konferenzzimmer von Barbara Bühler

Acht mit schwarzem Leder bezogene Stühle aus Chromstahl sind um einen quadratischen Tisch gruppiert. Beim Bildpaar mit zwei fast identischen Motiven, das den Titel "Sitzungs- und Konferenzzimmer in Liechtenstein" trägt, handelt es um eine zweiteilige Farbfotografie, die sich in der Sammlung des Kunstmuseums Liechtenstein in Vaduz befindet.

Die gleiche zentrale Perspektive beider Fotografien erfasst den nüchternen Raum mit grosser Präzision und mit dokumentarischem Charakter. Auf dem ersten Bild sind alle Stühle akkurat im gleichen Abstand um den leeren Tisch herum verteilt. Der Raum wirkt aufgeräumt, still, und die moderne Glasfassade durchflutet ihn mit Tageslicht. Das Glas ermöglicht den Bezug zur Aussenwelt, doch scheint es auch als eine schützende Membran zu fungieren, die einen Kontrast zu Lärm und Bewegung der Aussenwelt schafft und dadurch die Grundlage für vertrauliche Gespräche liefert.

Wie bei einem Bilderrätsel suchen die Betrachtenden auf dem zweiten Bild die Unterschiede zum ersten. Die Veränderungen sind geringfügig, aber nicht belanglos. Die Stühle stehen leicht verschoben mit etwas grösserem Abstand zum Tisch und nicht mehr perfekt in einer Linie mit der Tischplatte. Zeit ist vergangen. Davon zeugt nicht nur das leicht veränderte Tageslicht. Benutzte Kaffeetassen und Wassergläser sind nun auf dem Tisch zu sehen, dazu eine Glasschale mit einzeln verpacktem Buttergebäck. Das alles sind Spuren von etwas, das zwischen den beiden Aufnahmen stattgefunden hat. Ein Gespräch, Verhandlungen. Man ist sich einig geworden oder auch nicht. Der vergleichende Blick der Betrachtenden sucht die Bilder nach Anhaltspunkten ab, wie ein Kommissar den Tatort.

"Sitzungs- und Konferenzzimmer in Liechtenstein" ist der Titel einer ganzen Werkserie, die Barbara Bühler im Jahr 2001 aufgenommen hat. Jeweils zwei grossformatige Fotografien bilden verschiedene Besprechungszimmer in Liechtensteiner Banken, Stiftungen oder Treuhandbüros vor und nach einer Sitzung ab. Die Künstlerin interessiert dabei ein drittes Bild: das unsichtbare. Was hat zwischen den beiden Aufnahmen stattgefunden? Sie schreibt dazu: "Diese kleine Veränderung auf den Bildern sind gleichzeitig die grossen Veränderungen draussen: Liechtenstein ist nach ein paar Jahrzehnten, in denen der Finanzplatz geboomt hat, nicht wieder zu erkennen. Während in den Räumen fast nichts sich verändert, verändern diese Räume das Land in ungeheurem Masse." (https://www.barbarabuehler.com/sitzungszimmer-in-liechtenstein/)