Küss' die Hand

Die künstlerische Praxis von Bojan Šarcevic umfasst Skulpturen, architekturbezogene Interventionen, Videos, Fotocollagen und Künstlerbücher. Schwerpunkt der Ausstellung »Kissing the back of your hand makes a sound like a wounded bird« in der BAWAG Foundation sind seine neueren skulpturalen Arbeiten, die sich durch schlichte Eleganz der Materialien, formale Präzision und sinnlich erlebbare künstlerische Qualität behaupten.

Šarcevics intuitive, sehr poetische Vermessung von Raum erzeugt eine stille Präsenz und verwandelt den Ausstellungsraum in einen künstlerischen Erfahrungsraum. Er erforscht Beziehungen zwischen der Körperhaftigkeit der Objekte, das Verhältnis von Figur und Grund und die Grenzen zwischen zwei- und dreidimensionalen Strukturen. Greift er in den Skulpturen und Collagen auf Momente der abstrakten Bildsprache der Moderne zurück, deren ästhetische und inhaltliche Aspekte er ins 21. Jahrhundert transferiert, so thematisiert er im Film und in der Publikation mehr den politischen und kulturellen Raum bzw. die Differenzen, die er sichtbar macht. Alle Arbeiten unterscheiden sich grundsätzlich voneinander und stehen dennoch in einem vielfältigen Beziehungsfeld, das der aufmerksame Betrachter individuell erfahren kann.

»Replace the Irreplacable« (2006) ist ein großes schneckenartig geschwungenes Objekt aus Birnbaumholz und Messing, das zwischen Architektur und Skulptur, Innen und Aussen changiert. Šarcevic übersetzt eine gerundete Formensprache, die schwungvollen Linien einer sinnlich bewegenden Architektur in eine Skulptur, welche die Möglichkeit einer Behausung anzubieten vorgibt. Sie wirkt organisch und hat eine auf den Körper anspielende Dimension.

Dagegen erzeugen die ephemeren, äußerst fragilen Kleinskulpturen den Eindruck fast schwebender Anwesenheit. Die Serie aus dem Jahr 2006 umfasst sechs Arbeiten: »Something dark sea green is jutting, something tan is nodding, something Gainsborough is hanging, something dim grey is floating, something deep brown is suspended, something ochre is on the brick«. Jede Arbeit besteht aus drei Messingelementen. An Fäden von unterschiedlichen Farben hängend beschreiben sie ein Gerüst aus gebogenen und geraden Linien, deren konträre formale Eigenschaften zum Ausgangspunkt der Komposition werden. In ihrer prekären Balance erinnern sie an Mobiles, die in ihrer Bewegung eingefroren sind. Sie können als eine Art Kalligraphien oder Raumzeichnungen gelesen werden und lassen an Arbeiten aus Draht und Fäden von Künstlern der späten sechziger und frühen siebziger Jahre (Eva Hesse, Karel Malich, Richard Tuttle) denken. Mit taktiler Sensibilität zeichnet Šarcevic mit ihnen »bewegte« Spuren in Zeit und Raum.

Auch in den Collagen »1954« (2004) treibt er ein faszinierendes, stilles, manchmal melancholisches Spiel mit den Begriffen von Raum und Zeit. Er verwendet dazu Fotos aus der Architekturzeitschrift »Baumeister« aus dem Jahr 1954. Diese zeigen vorwiegend Innenräume öffentlicher Gebäude: von Schulen, Theatern, Bibliotheken, Krankenhäusern. Alle Aufnahmen entstanden unmittelbar nach Fertigstellung der Gebäude im Jahr 1954. Mit präzisen Schnitten löst Šarcevic aus den Vorlagen verschiedene Ornamentstrukturen heraus, die dann, gegeneinander verschoben, wieder in die Vorlagen eingesetzt werden. Die applizierte Ornamentik hebt die Tiefe des abgelichteten Raums in die Fläche des jetzt existierenden Bildwerkes und begibt sich in einen kunstvollen Widerspruch zu den Gedanken und Erinnerungen des Betrachters.

In dem 16-mm-Film »Ohne Titel« (1999) thematisiert Šarcevic Fragen von Globalisierung und kultureller Differenz. Der Film zeigt eine Szene, an der nichts gestellt ist, und konfrontiert uns mit dem Dasein einer jungen Frau aus Bamako. Sie liegt wie die Olympia von Manet in einem Stuhl vor ihrem Haus und hört einen Song von Nina Simone. »Four Women« ist ein Lied über vier Frauen unterschiedlicher Hautfarbe und der davon abhängigen gesellschaftlichen Rolle. Das Lied entstand im Kontext der Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre in den USA, in dem Nina Simone gegen Diskriminierung kämpfte. In der Stadt Bamako des Jahres 1999 hat das Lied nicht mehr das Potenzial, Widerstand zu befördern, sondern wird zum Symbol eines Hedonismus, einer stolzen Körperlichkeit.

Zur Ausstellung erscheint ein Künstlerbuch, das den Text »The Western Balkans. Moving on« von 2004 einbeziehen wird. Dieses Chaillot-Papier ist ein Bericht des Institute for Security Studies (ISS), Paris, und behandelt die geopolitischen Beziehungen zwischen den Ländern des Balkans und der EU.


Kissing the back of your hand makes a sound like a wounded bird
28. Juni bis 1. September 2007