Korea Power. Design und Identität

Südkorea ist heute eines der führenden Industrieländer mit einer enormen Produktion an Konsumgütern. Zugleich entwickelt sich das Land zu einer Kulturregion, in der intensiv nach Lösungen für die Produktwelten von morgen gesucht wird. Welche Wege Südkorea dabei geht und warum sich das Land als einer der dynamischsten und abwechslungsreichsten Orte für Design im ostasiatischen Raum etablieren könnte, thematisiert die Schau "Korea Power. Design und Identität".

Als erste umfangreiche Ausstellung in Deutschland nimmt "Korea Power" vom 27. April bis 25. August 2013 im Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main, zeitgenössisches koreanisches Produkt- und Kommunikationsdesign in den Fokus und zeichnet zugleich ein facettenreiches Bild des im Westen noch vergleichsweise unbekannten Landes Korea.

Korea ist eine der ältesten Kulturnationen Asiens und der Welt. Von hier gingen wichtige Impulse aus, die nicht nur die direkten Nachbarn China und Japan beeinflusst haben. Nach dem Zusammenbruch der Joseon-Dynastie (1392-1910), dem Ende der japanischen Besatzung (1905-1948) und dem Koreakrieg (1950-1953) hat das Land einen rasanten Industrialisierungsprozess durchlaufen. Aufgrund der kurzen und intensiven Modernisierung konnte sich jedoch zunächst keine eigene, reflektierte und langfristig orientierte Designidentität herausbilden. Heute rückt angesichts fortgeschrittener Globalisierung die Suche nach Identität und Selbstverortung für alle Designer in den Vordergrund.

Eine zentrale Rolle beim wirtschaftlichen Aufstieg Koreas spielten die Elektronik- und Automobilindustrie. In den 1970er Jahren produzierte Südkorea das erste eigene Auto, den Hyundai Pony, der zum erfolgreichen Exportmodell der erstarkenden koreanischen Automobilindustrie wurde. Heute sind Autos in Korea auf dem besten Weg, zur neuen Leitindustrie zu werden. Größtes Exponat der Ausstellung ist das Pop show car von Kia, entworfen 2010 von Peter Schreyer, dem Präsidenten und Chefdesigner der Kia Motors Corporation und der Hyundai Motor Group und damit dem erstem Ausländer und erstem Designer auf dem Chefsessel eines koreanischen Autokonzerns.

Im Zuge der Modernisierung Koreas wurde zunächst wenig Rücksicht auf das eigene kulturelle Erbe genommen und in kurzer Zeit waren fast alle Spuren des traditionellen koreanischen Lebensstils beseitigt. Es ist vor allem privaten Initiativen zu verdanken, dass alte koreanische Traditionen, wie etwa die hanok-Häuser oder traditionelle Möbel, wieder in den Blick der Menschen rücken und heute in Korea eine wahre Renaissance erleben.

Beispielhaft wird in der Ausstellung Korea Power die Stiftung Arumjigi Culture Keepers vorgestellt, die in ihren praxisnahen Entwürfen für Möbel und Tischservices die Erfordernisse des heutigen Lebens mit der Anlehnung an altkoreanische Vorbilder verbinden. In der hier gefundenen Synthese zeichnet sich ein zukünftiges koreanisches Design ab. Dabei hat Kunsthandwerk in Korea immer den Anspruch, nicht nur schön, sondern auch nützlich zu sein – eine Maxime, die in Zeiten schwindender Ressourcen durchaus Vorbildfunktion hat.

Daneben stellt Korea Power weitere aktuelle Designpositionen vor, in denen sich eine spezifisch koreanische Qualität abzeichnet. So wird im Themenschwerpunkt Wohnen deutlich, dass Sitzmöbel, Tische und Regale sich an anderen Vorgaben orientieren als ihre westlichen Pendants, was unter anderem der Tatsache geschuldet ist, dass auch heute unter Koreanern die Schlaf- und Sitzkultur auf dem Boden noch weit verbreitet ist.

Im Bereich Kommunikationsdesigns lässt das Designstudio 601bisang aus Seoul Verweise auf das eigene kulturelle Erbe in seine Entwürfe einfließen, denen ein tiefer philosophischer Ansatz zugrunde liegt. Dafür wurde 601bisang im Jahr 2012 als erste asiatische Agentur zur red dot: agency of the year gekürt. Einen unterhaltsamen Zugang zur visuellen Kultur Koreas bieten die in der Ausstellung gezeigten Lerncomics, allen voran die Ausgaben des Cartoonisten Rhie Won Bok, die den Koreanern fremde Länder wie Deutschland, Italien oder Japan auf humorvolle Weise näher bringen.

Ausgewählte Spielfilmszenen und mehrere Fotoserien aus den 1940er Jahren bis heute heben verschiedene Aspekte des koreanischen Alltags hervor und vermitteln einen Eindruck davon, was Korea war und ist. Vor dem Hintergrund des ökonomischen Aufschwungs in Südkorea in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der entscheidend von den Vereinigten Staaten beeinflusst wurde, veränderte sich die Bildsprache in der koreanischen Werbung grundlegend. Dieser Aspekt der Geschichte des koreanischen Kommunikationsdesigns zeigt sich deutlich in den Arbeiten des 1924 geborenen koreanischen Fotografen Kim Han-Yong, der zu den wichtigsten Werbefotografen der 1950er bis 1980er Jahre zählt. Kim hat die Amerikanisierung des Landes höchst originell ins Bild gesetzt. Für die Ausstellung "Korea Power" hat er sein umfangreiches Archiv geöffnet, das zu den Schätzen der koreanischen Designgeschichte gehört.

Ein eindrucksvolles Porträt des heutigen geteilten Landes Korea zeigt eine Bilderserie des renommierten Architekturfotografen Dieter Leistner. Seit 1947 ist die koreanische Halbinsel in Nord und Süd getrennt: politisch, wirtschaftlich, ideologisch und auch mental. Doch haben die beiden Staaten eine Jahrtausend alte gemeinsame Geschichte, Sprache und Kultur. Hat diese historisch verhältnismäßig kurze Zeit der Teilung unüberwindbare Differenzen hinterlassen oder haben sich nicht doch Spuren von kultureller Gemeinsamkeit erhalten? Leistner hat diese Frage in zwei Besuchen, 2006 und 2012, in Pjöngjang und Seoul aus deutschem Blickwinkel gestellt und Situationen des jeweiligen öffentlichen Raums gegeneinandergestellt. Er bringt ähnliche Szenen aus den beiden Teilen Koreas zusammen, die mal in deutlichem Kontrast stehen, mal verblüffend ununterscheidbar sind, und lässt die Bilder für sich sprechen.

Anlässlich der Ausstellung "Korea Power" erscheint die Bilderserie in dem Bildband "Korea – Korea".

Katalog: Korea Power. Design und Identität, Klaus Klemp, Hehn-Chu Ahn, Matthias Wagner K (Hg.), Grafikdesign: Jasmin Kress, Die Gestalten Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-89955-488-5, Preis 19,90 Euro

Korea Power. Design und Identität
27. April bis 25. August 2013