Die Ausstellung im Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien geht der Frage nach, wie künstlerische Modellformen eines „Wir“ für das gesellschaftliche Zusammenleben fruchtbar gemacht werden können: Was bedeutet Kollaboration im 21. Jahrhundert, wenn sich grundlegende Gesellschaftsstrukturen zusehends auflösen?
Wie haben Künstler:innen im Lauf der Jahrzehnte auf solche gesellschaftspolitischen Entwicklungen reagiert und wie positionieren sie sich heute dazu? Wie fein ist der Grat zwischen Kritik und Affirmation neoliberaler Strukturen, wenn das Stiften von Beziehungen auch im künstlerischen Arbeitsumfeld zu einer Effizienz und Profit steigernden Maßnahme zu geraten droht? Wie kann Kollektivität in durch und durch heterogenen Zusammenhängen als soziales und künstlerisches Denk- und Handlungsmodell funktionieren, wenn nicht in der Akzeptanz der Gleichzeitigkeit disparater, ja gegenläufiger Elemente?
In Zeiten netzwerkartig organisierter Konnektivität vermag ein Blick zurück in die Kunstgeschichte zur gegenwärtigen Diskussion um gemeinschaftliches Handeln – über familiäre, gesellschaftliche und nationale Grenzen hinweg – beizutragen. Als Bewegung, die nicht nur künstlerische Produktions-, Distributions-, und Rezeptionsparadigmen grundlegend revolutionierte, sondern auch zahlreiche Strategien etablierte, die gleichsam prädigitale Vorstufen zu Algorithmen, netzwerkartig organisierter Konnektivität und damit verbundenen Modellen von Vergemeinschaftung darstellen, bildet die in den 1960er-Jahren gegründete FluxusBewegung den Nukleus der Präsentation. Neben der Erweiterung von Werkformen, Bild- und Objekttraditionen sowie künstlerischer und partizipatorischer Methoden, wie sie für die Neoavantgarden der Mitte des 20. Jahrhunderts prägend waren, richtet sich der Blick aber insbesondere auf den Willen und die Fähigkeit von Künstler:innen, in der experimentellen Zusammenarbeit mit Kolleg:innen über das Selbst hinauszugehen, sich durch den Perspektivwechsel auf das eigene Tun zu verändern.
Die Ausstellung "Kollaborationen" wirft Schlaglichter auf die Sammlung des mumok und präsentiert Werke, die vor allem auf einer metareflexiven Ebene aktiv sind. Diese teils kollektiv entstandenen Arbeiten eint, dass sie alle über das Zusammenarbeiten und -leben reflektieren. Der kuratorische Blick richtet sich also nicht nur auf Künstler:innenkollektive und die ihnen zugrunde liegenden Mechanismen und Logiken, sondern zielt darüber hinaus auf das Handeln im Sinne von Kollektivität ab.
Dieses Handeln kann künstlerische Ausdrucksformen von Einzelnen genauso einschließen wie jenes von Gruppen oder sich als ein Gefüge verstehende Beteiligte. Das utopische Potential von Kollaboration, westlich-patriarchalische Machtverhältnisse und Kunstmarktlogiken von Originalität und solitärer Autorschaft zu überwinden und gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen, erscheint dabei ungebrochen.
Kollaborationen
Bis 6. November 2022